Spätestens seit Beginn der Euro-Krise 2009/2010 ist die Lage der Staatsfinanzen in Europa ein viel beachtetes Thema geworden und seither geblieben. Zuletzt hat das Thema durch die Corona-Pandemie, den wirtschaftlichen Implikationen der Pandemie und den Wirtschaftshilfen der EU wieder deutlich an Brisanz gewonnen.
Da die Haushalte einiger europäischer Länder, nicht zuletzt durch die Folgen der internationalen Finanzkrise ab 2008, hohe Defizite und steigende Schulden aufgewiesen haben und sie ihre Verbindlichkeiten kaum mehr bedienen konnten, haben sie Mittel aus EU-Rettungsfonds (EFSF und ESM) erhalten. Dies hat zunächst Griechenland, Portugal und Irland betroffen, später dann auch Spanien und Zypern. Irland hat im Dezember 2013 als erstes Land planmäßig den EU-Rettungsschirm verlassen, gefolgt von Portugal im Mai 2014. Spanien hat ausschließlich europäische Kredithilfen zur Unterstützung der nationalen Geldinstitute bezogen - schlüpfte streng genommen nicht unter den EU-Rettungsschirm. Auch das spanische Programm hat planmäßig im Januar 2014 geendet und Spanien hat, zum Teil bereits vorzeitig, in den Jahren 2014 und 2015 einen Teil der Hilfen zurückgezahlt. Im März 2016 ist das Hilfspaket für Zypern geendet. Zuletzt endete im August 2018, nach acht Jahren, das Hilfsprogramm für Griechenland.
Staatsverschuldung in der EU
Aber auch andere EU-Staaten, die keine Hilfsgelder in Anspruch genommen haben, sind hoch verschuldet, allen voran Italien. Das von der EU gesetzte Stabilitätsziel einer Staatsverschuldung von maximal 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wird von den meisten Mitgliedern teils deutlich übertroffen. So sind die bereits genannten Länder Griechenland, Italien und Portugal die
am stärksten verschuldeten EU-Mitglieder; die geringsten Schuldenquoten haben Estland, Bulgarien und Luxemburg. Deutschland liegt im Mittelfeld, aber deutlich unter den Durchschnittswerten für die gesamte EU und die Eurozone.
Insgesamt sind die
Schuldenquoten in Europa trotz zahlreicher Sparbemühungen im Zeitraum 2007 bis zum Höhepunkt im Jahr 2014 jedes Jahr weiter gestiegen. Seit 2015 sind die Schuldenquoten in den Ländern der Europäischen Union (EU) gesunken. Im Jahr 2022 hat die Staatsverschuldung in Relation zum BIP in der EU-27 rund 84 Prozent betragen, in der Eurozone hat diese bei rund 91,5 Prozent gelegen..
Im Jahr 2020 sind Schuldenquoten in Europa zuvor wieder sprunghaft angestiegen: Um die wirtschaftlichen Folgen der Lockdowns im Zuge der Corona-Pandemie gering zu halten, haben nahezu alle EU-Länder großzügige Wirtschaftshilfen erlassen, die durch die Aufnahme neuer Schulden finanziert wurden. Gleichzeitig hat auch
die EU enorme Hilfspakete erlassen, die am Ende ebenfalls refinanziert werden müssen.
In absoluten Zahlen hat die
Gesamtverschuldung der EU im Jahr 2022 rund 13,3 Billionen Euro betragen; in der Eurozone sind es rund 12,3 Billionen Euro gewesen.
Staatshaushalt
Im Hinblick auf die
Haushaltssalden der EU-Länder, also die Differenz zwischen Staatseinnahmen und Staatsausgaben, sind 2022 die größten Defizitquoten in Italien, Rumänien und Ungarn angefallen. Am anderen Ende erwirtschafteten Dänemark, Zypern und Irland die höchsten Staatsüberschüsse.
Die
Defizitquoten in der EU und der Eurozone hatten sich im Zeitraum 2010 bis 2019 unterm Strich konstant verringert; in der EU (-0,5 Prozent) wie auch der Eurozone (-0,6 Prozent) hat das Defizit 2019 deutlich über dem Stabilitätsziel einer Neuverschuldung von maximal 3 Prozent des BIP gelegen. Nachdem das Staatsdefizit 2020 Rekordwerte erreicht hat, sinkt es wieder, ist aber im Jahr 2022 mit rund -3,4 Prozent in der EU-27 und rund -3,6 Prozent in der Eurozone weiterhin über den vereinbarten Werten der Konvergenzkriterien.
Das absolute Staatsdefizit der EU-27 hat im Jahr 2022 rund 532,6 Milliarden Euro betragen, in der Eurozone sind es rund 483,85 Milliarden Euro gewesen.
Staatsquote
Ein gängiger Indikator, um die Staatsausgaben zu messen, ist die Staatsquote, d.h. das Verhältnis der Ausgaben zum BIP des jeweiligen Landes. Eine hohe Quote deutet auf eine große wirtschaftliche Bedeutung des Staatssektors für die Gesamtwirtschaft hin. Basierend auf den
Staatsquoten der EU-Mitgliedern im Jahr 2022 haben Frankreich, Italien und Belgien die höchsten Werte erreicht, während die Staatsausgaben in Irland, Litauen und Estland eine relativ geringe Rolle spielen.
Deutschland liegt mit einer Staatsquote von rund 49,7 Prozent im Mittelfeld der Europäischen Union und stellt ziemlich genau den Durchschnittswert der EU dar. In der Betrachtung der
gesamteuropäischen Staatsquote sind diese im Vergleich von 2010 zu 2019 leicht gesunken; ein Hinweis auf die Sparprogramme vieler Länder. In den Jahren 2020, 2021 und 2022 sind die Staatsquoten aufgrund der Corona-Pandemie deutlich höher.
EU-Haushalt
Neben den jeweiligen Staatshaushalten der Mitglieder existiert noch der Haushalt der Europäischen Union als Institution. Insgesamt hat der
Finanzrahmen der EU im Jahr 2022 rund 153,25 Milliarden Euro betragen, geringfügig weniger als im Vorjahr 2021. Im Jahr 2021 ist der Finanzrahmen der EU im Vergleich zum Vorjahr 2020 deutlich gesunken. Grund dafür ist, dass Großbritannien durch den
Brexit ab dem Jahr 2021 nicht mehr zu berücksichtigen.
Im Gegensatz zu den nationalen Haushalten ist der EU-Haushalt immer ausgeglichen. Entsprechend ihrer Wirtschaftskraft zahlen dabei die einzelnen
Mitgliedstaaten nationale Beiträge und Mehrwertsteuer-Anteile; hinzu kommen noch EU-Zölle und Abgaben. Von diesen Einnahmen fließt ein Großteil über verschiedene Subventionen und von der EU finanzierte Projekte wieder in die Länder zurück.
Das Verhältnis des Beitrags zum EU-Haushalt eines Landes zu den Mitteln aus diesem wird als operatives Haushaltssaldo bezeichnet. Im Vergleich der
operativen Haushaltssalden der Mitgliedstaaten der EU erhalten dabei strukturschwache Länder mehr Mittel, als sie an Beiträgen zahlen, während wirtschaftlich starke Staaten mehr Beiträge zahlen, als an Mitteln zurückfließt. So ist Polen im Jahr 2021 mit rund 12,9 Milliarden Euro der größte Netto-Empfänger von EU-Mitteln. Auch alle anderen Mitglieder der
Visegrád-Gruppe gehören zu den Ländern mit dem höchsten operativen Haushaltssaldo. Deutschland ist mit rund -21,3 Milliarden Euro Defizit der wichtigste Netto-Zahler der EU gewesen.
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