Statistiken zu den Staatsfinanzen in der Europäischen Union und der Eurozone
Zuletzt hat das Thema durch die Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine an zusätzlicher Brisanz gewonnen. Zu Beginn des Krieges und in den ersten zwei Kriegsjahren ist die EU primär gezwungen gewesen, die europäische Energiepolitik neu zu denken und kurzfristig neue internationale Partnerschaften und Lieferverträge zu organisieren, um den europäischen Bedarf an fossilen Energieträgern zu sichern. Dieser Prozess ist insgesamt mit sehr hohen Kosten verbunden gewesen und hat dementsprechend deutliche Auswirkungen auf die nationalen Staatshaushalte, die Staatsverschuldung und letztlich den EU-Haushalt gehabt.
Wenn die Europäische Union sich militärisch emanzipieren und kurz- bis mittelfristig eine von den USA autonome Verteidigungsfähigkeit herstellen muss, wird auch dies mit enormen, kreditfinanzierten Ausgaben in Billionenhöhe verbunden sein und die Situation der Staatsfinanzen in der Europäischen Union für die kommende Dekade prägen. Wobei sich die Auswirkungen der multiplen Krisen aus der jüngeren Vergangenheit, wie der Corona-Pandemie und der Eurokrise, mit den aktuellen Krisen überlagern.
Staatsverschuldung in der EU
Im Jahr 2023 hat die Staatsverschuldung in der EU-27 rund 81,7 Prozent betragen, in der Eurozone sind es rund 88,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gewesen. Der deutliche Rückgang der durchschnittlichen Staatsschuldenquote in der EU nach 2020 ist maßgeblich auf die hohe Inflation in Europa und weltweit zurückzuführen.Beginnend mit der Eurokrise sind die Schuldenquoten in Europa trotz zahlreicher Sparbemühungen im Zeitraum 2007 bis zum Höhepunkt im Jahr 2014 jedes Jahr weiter gestiegen. Von 2015 bis 2019 sind die Schuldenquoten in den Ländern der Europäischen Union (EU) gesunken, bevor sie mit Ausbruch des Krieges in der Ukraine von rund 77,8 Prozent (2019) sprunghaft auf rund 90 Prozent im Jahr 2020 gestiegen sind. Um die wirtschaftlichen Folgen der Lockdowns im Zuge der Corona-Pandemie gering zu halten, haben nahezu alle EU-Länder großzügige Wirtschaftshilfen erlassen, die durch die Aufnahme neuer Schulden finanziert wurden. Gleichzeitig hat auch die EU enorme Hilfspakete erlassen, die am Ende ebenfalls refinanziert werden müssen.
Das von der EU gesetzte Stabilitätsziel einer Staatsverschuldung von maximal 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wird daher von 14 der 27 Mitgliedstaaten teils deutlich übertroffen. Griechenland, Italien und Frankreich sind die am stärksten verschuldeten EU-Mitglieder; die geringsten Schuldenquoten weisen Bulgarien, Estland und Luxemburg auf. Deutschland liegt im Mittelfeld, aber deutlich unter den Durchschnittswerten für die gesamte EU und die Eurozone. In absoluten Zahlen ist die Gesamtverschuldung der EU im Jahr 2023 auf rund 13,9 Billionen Euro gestiegen; in der Eurozone sind es rund 12,7 Billionen Euro gewesen.
Staatshaushalt
Im Hinblick auf die Haushaltssalden der EU-Länder, also die Differenz zwischen Staatseinnahmen und Staatsausgaben, können im Jahr 2023 nur vier EU-Staaten, Dänemark, Zypern, Irland und Portugal, positive Salden, also Staatsüberschüsse aufweisen. Die größten Defizitquoten wurden in Italien, Ungarn, Rumänien und Frankreich registriert. . Die Defizitquoten in der EU und der Eurozone hatten sich im Zeitraum 2010 bis 2019 letztlich konstant verringert; in der EU (-0,5 Prozent) wie auch der Eurozone (-0,6 Prozent) hat das Defizit 2019 deutlich über dem Stabilitätsziel einer Neuverschuldung von maximal 3 Prozent des BIP gelegen. Nachdem das Staatsdefizit 2020 Rekordwerte erreicht hat, sinkt es wieder, ist aber im Jahr 2023 mit rund -3,5 Prozent in der EU-27 und rund -3,6 Prozent in der Eurozone weiterhin über den vereinbarten Werten des Europäischen Stabilitätspaktes. Das absolute Staatsdefizit der EU-27 hat im Jahr 2023 rund 594 Milliarden Euro betragen; in den Ländern der Eurozone sind es insgesamt rund 516,3 Milliarden Euro gewesen.Staatsquote
Ein gängiger Indikator, um die Staatsausgaben zu messen, ist die Staatsquote, d.h. das Verhältnis der Ausgaben zum BIP des jeweiligen Landes. Eine hohe Quote deutet auf eine große wirtschaftliche Bedeutung des Staatssektors für die Gesamtwirtschaft hin. Basierend auf den Staatsquoten der EU-Mitgliedern im Jahr 2023 haben Frankreich, Finnland und Italien die höchsten Werte erreicht, während die Staatsausgaben in Irland, Litauen und Malta eine weniger wichtige Rolle spielen. Deutschland positioniert sich mit einer Staatsquote von rund 48,6 Prozent im Mittelfeld der Europäischen Union. Die gesamteuropäische Staatsquote hat sich im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr auf durchschnittlich rund 49,4 Prozent in der EU und rund 50 Prozent in der Eurozone verringert.EU-Haushalt
Neben den jeweiligen Staatshaushalten der Mitgliedstaaten existiert der gemeinsame Haushalt der Europäischen Union. Insgesamt hat der Finanzrahmen der EU im Jahr 2024 rund 152,75 Milliarden Euro betragen, geringfügig weniger als im Vorjahr 2023. Im Gegensatz zu den nationalen Haushalten ist der EU-Haushalt immer ausgeglichen. Entsprechend ihrer Wirtschaftskraft werden die nationalen Beiträge der Mitgliedstaaten zum EU-Haushalt und Mehrwertsteuer-Anteile entrichtet. Hinzu kommen noch EU-Zölle und Abgaben. Von diesen Einnahmen fließt ein Großteil über verschiedene Subventionen und von der EU finanzierte Projekte wieder in die Länder zurück.Das Verhältnis des Beitrags zum EU-Haushalt eines Landes zu den Mitteln aus diesem wird als operativer Haushaltssaldo bezeichnet. Im Vergleich der operativen Haushaltssalden der Mitgliedstaaten der EU erhalten dabei strukturschwache Länder mehr Mittel, als sie an Beiträgen zahlen, während wirtschaftlich starke Staaten mehr Beiträge entrichten, als an Mitteln zu ihnen zurückfließen. Deutschland ist mit rund -15,8 Milliarden Euro als größte Volkswirtschaft und bevölkerungsreichstes Mitglied der Europäischen Union auch der wichtigste Netto-Zahler im europäischen Haushalt gewesen.
Polen ist im Jahr 2023, als Mitglied der Visegrád-Gruppe, mit rund 8,5 Milliarden Euro der größte Netto-Empfänger von EU-Mitteln gewesen. Die operativen Haushaltssalden der Visegrád-Mitglieder gehören insgesamt zu den Ländern mit den höchsten operativen Haushaltssalden in der EU.
Eurokrise, Finanzkrise, Bankenkrise - eine Einordnung
Da die Haushalte einiger europäischer Länder, nicht zuletzt durch die Folgen der internationalen Finanzkrise ab 2008, hohe Defizite und steigende Schulden aufgewiesen haben und sie ihre Verbindlichkeiten kaum mehr bedienen konnten, haben sie Mittel aus EU-Rettungsfonds (EFSF und ESM) erhalten. Dies hat zunächst Griechenland, Portugal und Irland betroffen, später dann auch Spanien und Zypern. Irland hat im Dezember 2013 als erstes Land planmäßig den EU-Rettungsschirm verlassen, gefolgt von Portugal im Mai 2014. Spanien hat ausschließlich europäische Kredithilfen zur Unterstützung der nationalen Geldinstitute bezogen - schlüpfte streng genommen nicht unter den EU-Rettungsschirm. Auch das spanische Programm hat planmäßig im Januar 2014 geendet und Spanien hat, zum Teil bereits vorzeitig, in den Jahren 2014 und 2015 einen Teil der Hilfen zurückgezahlt. Im März 2016 ist das Hilfspaket für Zypern geendet. Zuletzt endete im August 2018, nach acht Jahren, das Hilfsprogramm für Griechenland.