In jüngster Vergangenheit wird die Visegrád-Gruppe primär mit ihrer ablehnenden Haltung gegenüber einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingspolitik in Verbindung gebracht, weswegen sich die Visegrád-Staaten mit dem Vorwurf mangelnder europäischer Solidarität konfrontiert sehen. Hauptkritikpunkt ist hierbei der Umstand, dass sich die Visegrád-Staaten rechtlich bindenden europäischen Ratsbeschlüssen zur Umverteilung von Flüchtlingen aus den am stärksten von der Flüchtlingskrise betroffenen Staaten Griechenland und Italien verweigerten, gleichzeitig jedoch die europäische Solidarität für sich in Anspruch nehmen und fordern - alle vier Visegrád-Staaten sind Nettoempfänger im EU-Haushalt.
Im EU Haushalt 2018 waren die Visegrád-Staaten neben Griechenland und Rumänien die größten Nettoempfänger der EU-Staaten. Polen erzielte einen Nettoempfang von rund 12,3 Milliarden Euro und war damit der größte Nettoempfänger des EU-Haushaltes 2018.
Gleichzeitig haben Polen und Ungarn bisher keine EU-Flüchtlinge nach dem Verteilungsschlüssel der Europäischen Kommission aufgenommen. Die Slowakei hat bisher 16 Flüchtlinge im Rahmen der EU-Umsiedlungsbeschlüsse aufgenommen und Tschechien 12 Personen. Nur der Nicht-EU-Staat Liechtenstein hat mit 10 Personen weniger Flüchtlinge im Rahmen dieser Programme aufgenommen.
Umfrage zu Asyl und Migration
Im Hinblick auf die Ergebnisse der Eurobarometer Umfrage Frühjahr 2018 (Juni 2018) ergibt sich ein differenziertes und in Teilen widersprüchliches Bild hinsichtlich der Meinungen der nationalen Bevölkerungen der Visegrád-Gruppe.
Befragt nach ihrer Meinung zu "einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingspolitik" befürworteten nur 37 Prozent der befragten Tschechen diesen Vorschlag (Slowakei: 41 Prozent Zustimmung; Ungarn 55 Prozent und Polen 55 Prozent) - im europäischen Durchschnitt sprachen sich 72 Prozent aller befragten EU-Bürger für eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik aus.
Gefragt nach den zwei wichtigsten aktuellen Problemen im eigenen Land, nannten 32 Prozent der Tschechen und 44 Prozent der befragten Polen die "Inflation" als eines der wichtigsten Probleme. Die "Gesundheit und soziale Sicherung" nannten hingegen die befragten Ungarn (42 Prozent) und Slowaken (45 Prozent) als eines der zwei wichtigsten Probleme in ihrem Land. Die "Einwanderung" wurde von 15 Prozent der Tschechen, 14 Prozent der Ungarn, fünf Prozent der Polen und sechs Prozent der Slowaken als ein wichtiges nationales Problem genannt.
Auf die Frage danach, von welchen Themen die Befragten in ihrem Land persönlich betroffen sind, gaben vier Prozent der Tschechen, jeweils drei Prozent der Polen und Slowaken und zwei Prozent der Ungarn an, dass sie von "Einwanderung" persönlich betroffen sind.
Während die Einwanderung von Nicht-EU-Bürgern bei den Befragten aller vier Visegrád-Staaten auf tendenziell eher starke Ablehnung stößt, bewerten die Befragten in der Slowakei und Tschechien auch die Einwanderung aus anderen EU-Mitgliedsstaaten (EU-Binnenmigration) signifikant negativer ( 43 Prozent und 48 Prozent) als die Befragten in Polen (19 Prozent) Ungarn (25 Prozent) oder der Durchschnitt aller Befragten in der Europäischen Union (24 Prozent).
Migration aus den Visegrád-Staaten
Stellt man die jeweiligen Emigrationszahlen (Auswanderer) der Visegrád-Staaten der jeweiligen Anzahl der Ausländer gegenüber, die in einem Visegrád-Staat leben, ergibt sich folgendes Bild:
- Ungarn Im Jahr 2018 lebten rund 448.349 ungarische Staatsbürger als Migranten in einem anderen EU-Staat, gleichzeitig lebten im Jahr 2018 insgesamt rund 161.416 Ausländer in Ungarn, davon 77.998 EU-Ausländer und 83.418 Nicht-EU-Ausländer.
- Polen Mehr als2,5 Millionen polnische Staatsbürger lebten 2018 in einem anderen EU-Land, demgegenüber im Jahr 2018 rund 238.672 Ausländer in Polen gemeldet waren, davon 30.098 EU-Ausländer und 208.574 Nicht-EU-Ausländer.
- Slowakei Den 361.446 slowakischen Staatsbürger, die im Jahr 2018 in einem anderen EU-Staat lebten, stehen rund 71.388 Ausländer gegenüber, die ihren Lebensmittelpunkt in der Slowakei haben (2018), davon 55.949 EU-Ausländer und 15.439 Nicht-EU-Ausländer.
- Tschechien Rund 166.476 tschechische Staatsbürger hatten im Jahr 2018 ihren Lebensmittelpunkt in einem anderen EU-Staat, während in Tschechien im Jahr 2018 rund 515.422 ausländische Staatsangehörige lebten, davon 219.350 EU-Ausländer und 296.072 Nicht-EU-Ausländer.
Befragt nach ihrer Meinung, ob sie der Aussage "Einwanderer leisten einen großen Beitrag für unser Land" zustimmen oder nicht zustimmen, antworteten die Befragten der Visegrád-Staaten überwiegend ablehnend. 57 Prozent der befragten Tschechen gaben an, dass sie dieser Aussage überhaupt nicht zustimmen - der Durchschnittswert aller befragten EU-Bürger liegt bei 17 Prozent.
Gleichzeitig weist Tschechien eine sehr geringe Arbeitslosenquote auf. Die Arbeitslosenquote in Tschechien liegt derzeit bei rund 2,2 Prozent (Stand: November 2019), dies ist der niedrigste Wert innerhalb der Europäischen Union (EU).