Statistiken zu Verbraucherstimmung und Konsum in Europa
Einordnung
Wie hat sich der Konsummarkt in Europa entwickelt, nachdem die Corona-Pandemie durch die nächste globale ökonomische Krise, ausgelöst durch den russischen Überfall auf die Ukraine, abgelöst wurde?Das Jahr 2020 war eine Zäsur und ist als ein Jahr der Extreme in die Geschichte eingegangen. Das Coronavirus verbreitete sich von China ausgehend innerhalb kürzester Zeit in unserer globalisierten Welt. Regierungen weltweit waren gefordert, Maßnahmen zur Eindämmung des Virus zu erlassen. Das öffentliche Leben wurde im vergangenen Jahr in den EU-Ländern immer wieder heruntergefahren (Lockdowns), um die Verbreitung des Virus zu verlangsamen. Temporäre Grenzschließungen, restriktive Ein- und Ausreisebestimmungen sowie Beherbergungsverbote für touristische Zwecke, ließen den Tourismussektor zusammenbrechen. Ein Großteil der Dienstleistungen für Privatpersonen aus den Bereichen Freizeit und Kultur mussten vorübergehend ihren Betrieb einstellen. Auch der gesamte Non-Food-Retail (Einzelhandel) war von den Maßnahmen betroffen. Der Kollateralschaden der skizzierten Maßnahmen war ein Einbruch der privaten Konsumausgaben in Europa in diversen Bereichen.
2021 und 2022 sind teils starke Nachholeffekte in einzelnen Konsumbranchen zu beobachten gewesen, gleichzeitig haben sich durch den Krieg in der Ukraine Lebensmittel in Europa deutlich verteuert. Im Zusammenhang mit den Sanktionen gegen Russland sind die europäischen Energiepreise explodiert und die grüne europäische Energiewende wird forciert, um neue Abhängigkeiten für den europäischen Energiemarkt zu vermeiden.
Verbraucherstimmung in Europa - Überblick
- Consumer Confidence Index CCI der OECD Das Verbrauchervertrauen in der Europäischen Union (EU-27) nach dem Consumer Confidence Index der OECD verbessert sich seit Jahresbeginn 2023 kontinuierlich auf zuletzt rund 97,2 Indexpunkte (Mai 2023), wenngleich die Stimmung insgesamt bei unter 100 Indexpunkten noch als pessimistisch bewertet wird. Im Mai 2019 - vor der Corona-Krise notierte der Index für die EU-27 noch bei 101,5 Punkten. Nachdem die Corona-Krise aus Sicht der Verbraucher:innen an Schrecken verloren hatte, notierte der CCI für die EU im Mai 2021 wieder bei 101,1 Punkten, bevor die Verbraucherstimmung dann im Laufe des Jahres 2022, ausgelöst durch den russischen Überfall auf die Ukraine, mit auf den tiefsten Stand seit Beginn der Datenaufzeichnung eingebrochen ist.
- Consumer Confidence Index CCI vom ESI der EU-Kommission Die Verbraucherbefragungen der Europäischen Kommission (Economic Sentiment Indicator - ESI) bestätigen den Aufwärtstrend, wenngleich die Verbraucherstimmung in den EU-Ländern sehr unterschiedlich ist.
- Primary Consumer Sentiment Index - PCSI von Refinitiv und Ipsos Auch bei den Verbraucher:innen der Türkei verbessert sich die Stimmung: Der Primary Consumer Sentiment Index - PCSI für die Türkei entwickelt sich ebenfalls positiv.
Nach der Krise ist vor der Krise: Berg und Talfahrt bei Konsumausgaben und Sparquote in Europa
Die aktuellen Veränderungen der Konsumausgaben der privaten Haushalte im ersten Quartal 2023 zeigen für Europa keinen einheitlichen Trend. Insgesamt sind die Konsumausgaben in den EU-Ländern gegenüber dem Vorjahresquartal leicht um rund 0,5 Prozent (Eurozone: 0,8 Prozent) gestiegen. Die Türkei (EU-Beitrittskandidat) verzeichnet zwar mit einer Steigerung von rund 15,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal die höchste Steigerung der Konsumausgaben in Europa im Q1 2023, es ist aber gleichzeitig auch das schwächste Wachstum der Türkei seit dem dritten Quartal 2021. In Tschechien sind die Konsumausgaben stärker gesunken als im Rest Europas - um rund 6,3 Prozent sind die Konsumausgaben zurückgegangen.Die absoluten Konsumausgaben der privaten Haushalte in der Europäischen Union (EU-27) summierten sich im Jahr 2021 auf rund 7,26 Billionen Euro bzw. rund 6,15 Billionen Euro in den Mitgliedstaaten der Eurozone. Bis 2019 sind die gesamten Konsumausgaben der privaten Haushalte in der EU kontinuierlich auf rund 7,34 Billionen Euro im Jahr 2019 gestiegen, im ersten Corona-Jahr erfolgte der Einbruch auf rund 6,79 Billionen Euro. Es ist bis auf das Jahr 2008 (Euro-Finanzkrise) überhaupt erst das zweite Jahr, in dem die Konsumausgaben in der EU rückläufig gewesen sind. Im Vergleich der Finanz- und der Corona-Krise zeigen sich jedoch deutliche Unterschiede im Verbraucherverhalten.
Mit Blick auf die Konsumausgaben der privaten Haushalte in den EU-Ländern im Jahr 2021 haben die bevölkerungsreichsten und gleichzeitig wirtschaftsstärksten Volkswirtschaften (Deutschland: 1,7 Bio. Euro; Frankreich: 1,27 Bio. Euro und Italien: 1,17 Bio. Euro) die höchsten absoluten Konsumausgaben in Europa. Diese Werte informieren zunächst nur über die jeweilige Größe des nationalen Marktes insgesamt, jedoch nicht über das individuelle Konsumbudget der Bürger:innen noch über die Verteilung der Konsumausgaben nach Verwendungszweck.
Schweizer und Luxemburger haben die höchsten Pro-Kopf-Konsumausgaben in Europa
Die höchsten Konsumausgaben der privaten Haushalte in Europa je Einwohner:in verzeichnet die Schweiz als Mitglied der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA): Die Schweizer:innen verzeichnen durchschnittliche Konsumausgaben von rund 37.210 Euro je Einwohner:in, womit sie noch vor dem EU-Mitglied Luxemburg (35.080 Euro je Einwohner:in) den europäischen Spitzenplatz einnehmen (jeweils im Jahr 2021. Im Durchschnitt wenden die EU-Bürger:innen rund 16.210 Euro pro Kopf für den Konsum auf. Die niedrigsten Konsumausgaben pro-Kopf in Europa verzeichnen die EU-Erweiterungsländer Türkei, Albanien und Nordmazedonien.
Hohe Konsumausgaben für Wohnen und Wohnnebenkosten werden 2022 nochmals steigen
Wofür die Europäer:nnen ihr Einkommen ausgeben, ist je nach Land unterschiedlich und kann für jedes Land einzeln in der Verteilung der Konsumausgaben nach Bereichen geprüft werden.
Die Bürger:innen Frankreichs geben, wie die Einwohner:innen in den meisten anderen europäischen Staaten auch, einen großen Anteil des Konsumbudgets für den Bereich Wohnung, Wasser, Elektrizität etc., aus. Mehr als ein Viertel der gesamten Konsumausgaben der privaten Haushalte in Frankreich entfallen auf die Wohn- und Energiekosten, trotz der europaweit höchsten Anzahl von Atomkraftwerken, die nach landläufiger Meinung auch "günstige" Energiepreise garantieren.
Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wird sich deutlich in den Konsumzahlen der privaten Haushalte im Jahr 2022 bemerkbar machen (mit den Daten für das Berichtsjahr 2022 wird im Herbst 2023 gerechnet). Im Zusammenhang mit dem Kriegsausbruch in der Ukraine und den darauf folgenden Sanktionen gegen Russland sah sich die Europäische Union gezwungen von der Abhängigkeit russischen Erdgases zu lösen und die Käufe drastisch zu reduzieren. Dieser Umstand und weitere in Zusammenhang stehende Faktoren führten zu erheblichen Preissteigerungen für Erdgas und allgemein Energieträger an den Referenzmärkten, die wiederum in extrem gestiegenen Energiepreisen für die Endverbraucher:innen weitergegeben wurden. Schlussendlich wird sich in den meisten europäischen Ländern der Anteil der Konsumausgaben,der für den Bereich Wohnung, Wasser, Elektrizität, Gas und andere Brennstoffe aufgewendet wird, im Jahr 2022 deutlich erhöhen.
Was sind Konsumausgaben der privaten Haushalte?
Unter den Konsumausgaben der privaten Haushalte werden alle unmittelbaren Ausgaben von Privatpersonen eines Haushalts in Waren und Dienstleistungen verstanden. Konsum ist der Verbrauch von Einkommen. Das Gegenteil ist Sparen, also das Einbehalten von Einkommen (Konsumverzicht) für einen zukünftigen Verbrauch. Das Gegenstück zu den Konsumausgaben der privaten Haushalte ist die Sparquote der privaten Haushalte. Allgemein geben die privaten Haushalte bei optimistischer Stimmung einen größeren Anteil ihres Einkommens aus, sie konsumieren. Ist die Stimmung eher negativ, z.B. in einer allgemeinen Wirtschaftskrise, behalten die privaten Haushalte einen größeren Anteil ihres Einkommens, z.B. aus Sorge vor Arbeitslosigkeit, ein, sie sparen das Einkommen.Konsumentenbefragungen, die die Konsumlaune, das Verbrauchervertrauen oder die Konsumstimmung der Verbraucher einfangen, sind in diesem Zusammenhang wichtige Konjunkturindikatoren. Konsumentenbefragungen ermöglichen es, einen Blick auf die kurz- bis mittelfristige Ausgabebereitschaft der Konsument*innen zu werfen, womit sich auch die zukünftige Entwicklung des Binnenmarktes prognostizieren lässt.
Rückblick: Zusammenspiel von Lockdowns, Sparquote und Konsum in der Pandemie
Die Sparquoten der privaten Haushalte in der Europäischen Union sind im vergangenen Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr 2019 deutlich gestiegen. Betrug die durchschnittliche Sparquote der EU-27 im Jahr 2019 noch rund 12,15 Prozent stieg sie im Pandemiejahr 2020 auf durchschnittlich 18,55 Prozent rapide an. Die Berg und Talfahrt von Sparquote und Konsumausgaben in Europa lässt sich jedoch nur mit Blick auf die Quartalszahlen erkennen. Wenn die Konsumausgaben in Europa sanken, stieg die Bruttosparquote der privaten Haushalte und umgekehrt.- 1. Quartal 2020 Nachdem sich Ende des ersten Quartals 2020 das Virus in Europa rasant zu verbreiten begann, haben zunächst einzelne EU-Länder nationale Maßnahmen zur Eindämmung ergriffen, die das öffentliche Leben stilllegten. Weite Teile des Einzelhandels, aber auch des Dienstleistungssektors (Friseure, Kinos, Fitnessstudios usw.), wurden geschlossen. Dies hatte zur Folge, dass die Konsumausgaben im 1. Quartal 2020 in der EU durchschnittlich um rund 3,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal einbrachen, wobei der Rückgang in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich hoch ausfiel. In den EU-Ländern Italien (-7,1 Prozent), Spanien (-5,9 Prozent), Österreich (-5,9 Prozent) und Frankreich (-4,6 Prozent), in denen sich das Virus bereits sehr früh und sehr schnell verbreitete, brach der Konsum im ersten Quartal 2020 sehr viel stärker ein als im Rest Europas. Gleichzeitig erhöhte sich die Bruttosparquote der privaten Haushalte in Europa im ersten Quartal 2020 auf durchschnittlich rund 15,5 Prozent, nachdem sie im Q4 2019 noch bei rund 12,2 Prozent notierte.
- 2. Quartal 2020 Im zweiten Quartal 2020 hatte sich das Corona-Virus bereits in Europa verbreitet. Nun waren nahezu alle europäischen Staaten mit hohen Infektionszahlen bzw. der Sorge vor hohen Infektionszahlen betroffen. Es wurden europaweite Lockdowns, teilweise sogar Grenzschließungen- und Kontrollen auch im Schengenraum eingeführt. Folgerichtig brach der private Konsum in der Europäischen Union nun vollständig ein. Im Durchschnitt sanken die Konsumausgaben der privaten Haushalte in der EU-27 um rund 15,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal und um rund 12,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Die Länder, die bereits früh betroffen waren und Maßnahmen zur Eindämmung ergriffen hatten, waren im zweiten Quartal im europäischen Vergleich teilweise von weniger hohen Konsumrückgängen betroffen als die europäischen Nachbarstaaten. Die Sparquote der privaten Haushalte erreichte in der EU-27 mit rund 24 Prozent ein Rekordniveau.
- 3. Quartal 2020 Das dritte Quartal 20202 war geprägt von Lockerungen der nationalen Corona Maßnahmen. Die Lockdowns des Q2 hatten das Infektionsgeschehen verlangsamt, die Inzidenzwerte verringerten sich und es bestand zusätzlich die Hoffnung, dass u.a. steigende Sommertemperaturen und vermehrter Aufenthalt im Freien die Verbreitung des Virus zusätzlich erschweren würde. Die Urlaubssaison begann, Außengastronomie, Freizeitangebote, Einzelhandel und Dienstleistungen wurden in den meisten Ländern wieder geöffnet oder ermöglicht. Die Bruttosparquote der privaten Haushalte in der EU sank im dritten Quartal 2020 dementsprechend deutlich, da die Bürger*innen das zur Verfügung stehende Einkommen wieder vermehrt für den Konsum ausgaben. Die Konsumausgaben der privaten Haushalte stiegen im dritten Quartal 2020 im EU-Durchschnitt um rund 13,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal, wenngleich sie rund 4,1 Prozent unter dem Vorjahresniveau blieben.
- 4. Quartal 2020 Im vierten Quartal 2020 herrschte wieder Katerstimmung bei den privaten Haushalten. Die zweite (teilweise auch die dritte) Corona Welle brach aus, die Infektionszahlen stiegen europaweit rasant an und in der Folge wurde das öffentliche Leben in Europa wieder massiv runtergefahren. Die Konsumausgaben der privaten Haushalte sanken im EU-Durchschnitt wieder um rund 3 Prozent gegenüber dem Vorquartal (-7,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr) und die Sparquote erhöhte sich wieder auf rund 18,9 Prozent im EU-Durchschnitt.