Einordnung
Das vergangene Jahr 2020 war eine Zäsur und wird als ein Jahr der Extreme in die Geschichte eingehen. Das Coronavirus verbreitete sich von China ausgehend innerhalb kürzester Zeit in unserer globalisierten Welt. Regierungen weltweit waren gefordert, Maßnahmen zur Eindämmung des Virus zu erlassen. Das öffentliche Leben wurde im vergangenen Jahr in den EU-Ländern immer wieder heruntergefahren (Lockdowns), um die Verbreitung des Virus zu verlangsamen. Temporäre Grenzschließungen, restriktive Ein- und Ausreisebestimmungen sowie Beherbergungsverbote für touristische Zwecke, ließen den Tourismussektor zusammenbrechen. Ein Großteil der Dienstleistungen für Privatpersonen aus den Bereichen Freizeit und Kultur mussten vorübergehend ihren Betrieb einstellen. Auch der gesamte Non-Food-Retail (Einzelhandel) war von den Maßnahmen betroffen. Der Kollateralschaden der skizzierten Maßnahmen war ein Einbruch der privaten Konsumausgaben in Europa.Verbraucherstimmung in Europa - Überblick
Nachdem das Verbrauchervertrauen (Global Consumer Confidence Index) in Europa im vierten Quartal 2020 bei 76 Punkten notierte stieg es zum ersten Quartal 2021 deutlich auf auf 87 Punkte an. Die Verbraucher*innen in Europa sind nur vorsichtig optimistisch aber der Trend ist positiv. Die Verbraucherbefragungen der Europäischen Kommission (Economic Sentiment Indicator - ESI) bestätigen den Aufwärtstrend, wenngleich die Verbraucherstimmung in den EU-Ländern sehr unterschiedlich ist. Nur bei den Verbraucher*innen der Türkei verschlechtert sich die Stimmung: Der Primary Consumer Sentiment Index - PCSI für die Türkei entwickelt sich negativ.Corona-Pandemie: Berg und Talfahrt bei Konsumausgaben und Sparquote in Europa
Die Konsumausgaben der privaten Haushalte in Europa summierten sich im Jahr 2019 auf rund 7,3 Billionen Euro in den Ländern der Europäischen Union (EU-27) bzw. rund 6,3 Billionen Euro in der Eurozone. Gemäß der Größe der jeweiligen Volkswirtschaften verzeichnen die bevölkerungsreichsten und gleichzeitig wirtschaftsstärksten Länder (Deutschland: 1,72 Bio. Euro; Großbritannien: 1,54 Bio. Euro und Frankreich: 1,27 Bio. Euro; Italien: 1,09 Bio. Euro) die höchsten absoluten Konsumausgaben in Europa. Diese Werte informieren zunächst nur über die jeweilige Größe des nationalen Marktes insgesamt, jedoch nicht über das individuelle Konsumbudget der Bürger*innen noch über die Verteilung der Konsumausgaben nach Verwendungszweck.Schweizer und Luxemburger haben die höchsten Pro-Kopf-Konsumausgaben in Europa
Mit Blick auf die Konsumausgaben der privaten Haushalte je Einwohner in Europa verändert sich die Reihenfolge. Das EFTA-Mitglied Schweiz verzeichnete im Jahr 2019 durchschnittliche Konsumausgaben von über 38.000 Euro je Einwohner, womit sie noch vor dem EU-Mitglied Luxemburg (33.600 Euro je Einwohner) den europäischen Spitzenplatz einnehmen. Im Durchschnitt hatten die EU-Einwohner Konsumausgaben von rund 16.400 Euro pro Kopf.
Hohe Konsumausgaben für Wohnen und Wohnnebenkosten
Wofür die Europäer*innen ihr Einkommen ausgeben ist je nach Land unterschiedlich und kann für jedes Land einzeln in der Verteilung der Konsumausgaben nach Verwendungszweck geprüft werden. Die Luxemburger geben, wie die Einwohner in den meisten anderen europäischen Staaten auch, einen großen Anteil des Konsumbudgets für den Bereich Wohnung, Wasser, Elektrizität etc., aus. Rund ein Viertel der gesamten Konsumausgaben der privaten Haushalte in Luxemburg entfallen auf die Wohnkosten.
Zusammenspiel von Lockdowns, Sparquote und Konsum in der Pandemie
Die Sparquoten der privaten Haushalte in der Europäischen Union sind im vergangenen Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr 2019 deutlich gestiegen. Betrug die durchschnittliche Sparquote der EU-27 im Jahr 2019 noch rund 12,15 Prozent stieg sie im Pandemiejahr 2020 auf durchschnittlich 18,55 Prozent rapide an. Die Berg und Talfahrt von Sparquote und Konsumausgaben in Europa lässt sich jedoch nur mit Blick auf die Quartalszahlen erkennen. Wenn die Konsumausgaben in Europa sanken, stieg die Bruttosparquote der privaten Haushalte und umgekehrt.- 1. Quartal 2020 Nachdem sich Ende des ersten Quartals 2020 das Virus in Europa rasant zu verbreiten begann, haben zunächst einzelne EU-Länder nationale Maßnahmen zur Eindämmung ergriffen, die das öffentliche Leben stilllegten. Weite Teile des Einzelhandels, aber auch des Dienstleistungssektors (Friseure, Kinos, Fitnessstudios usw.), wurden geschlossen. Dies hatte zur Folge, dass die Konsumausgaben im 1. Quartal 2020 in der EU durchschnittlich um rund 3,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal einbrachen, wobei der Rückgang in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich hoch ausfiel. In den EU-Ländern Italien (-7,1 Prozent), Spanien (-5,9 Prozent), Österreich (-5,9 Prozent) und Frankreich (-4,6 Prozent), in denen sich das Virus bereits sehr früh und sehr schnell verbreitete, brach der Konsum im ersten Quartal 2020 sehr viel stärker ein als im Rest Europas. Gleichzeitig erhöhte sich die Bruttosparquote der privaten Haushalte in Europa im ersten Quartal 2020 auf durchschnittlich rund 15,5 Prozent, nachdem sie im Q4 2019 noch bei rund 12,2 Prozent notierte.
- 2. Quartal 2020 Im zweiten Quartal 2020 hatte sich das Corona-Virus bereits in Europa verbreitet. Nun waren nahezu alle europäischen Staaten mit hohen Infektionszahlen bzw. der Sorge vor hohen Infektionszahlen betroffen. Es wurden europaweite Lockdowns, teilweise sogar Grenzschließungen- und Kontrollen auch im Schengenraum eingeführt. Folgerichtig brach der private Konsum in der Europäischen Union nun vollständig ein. Im Durchschnitt sanken die Konsumausgaben der privaten Haushalte in der EU-27 um rund 15,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal und um rund 12,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Die Länder, die bereits früh betroffen waren und Maßnahmen zur Eindämmung ergriffen hatten, waren im zweiten Quartal im europäischen Vergleich teilweise von weniger hohen Konsumrückgängen betroffen als die europäischen Nachbarstaaten. Die Sparquote der privaten Haushalte erreichte in der EU-27 mit rund 24 Prozent ein Rekordniveau.
- 3. Quartal 2020 Das dritte Quartal 20202 war geprägt von Lockerungen der nationalen Corona Maßnahmen. Die Lockdowns des Q2 hatten das Infektionsgeschehen verlangsamt, die Inzidenzwerte verringerten sich und es bestand zusätzlich die Hoffnung, dass u.a. steigende Sommertemperaturen und vermehrter Aufenthalt im Freien die Verbreitung des Virus zusätzlich erschweren würde. Die Urlaubssaison begann, Außengastronomie, Freizeitangebote, Einzelhandel und Dienstleistungen wurden in den meisten Ländern wieder geöffnet oder ermöglicht. Die Bruttosparquote der privaten Haushalte in der EU sank im dritten Quartal 2020 dementsprechend deutlich, da die Bürger*innen das zur Verfügung stehende Einkommen wieder vermehrt für den Konsum ausgaben. Die Konsumausgaben der privaten Haushalte stiegen im dritten Quartal 2020 im EU-Durchschnitt um rund 13,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal, wenngleich sie rund 4,1 Prozent unter dem Vorjahresniveau blieben.
- 4. Quartal 2020 Im vierten Quartal 2020 herrschte wieder Katerstimmung bei den privaten Haushalten. Die zweite (teilweise auch die dritte) Corona Welle brach aus, die Infektionszahlen stiegen europaweit rasant an und in der Folge wurde das öffentliche Leben in Europa wieder massiv runtergefahren. Die Konsumausgaben der privaten Haushalte sanken im EU-Durchschnitt wieder um rund 3 Prozent gegenüber dem Vorquartal (-7,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr) und die Sparquote erhöhte sich wieder auf rund 18,9 Prozent im EU-Durchschnitt.
Was sind Konsumausgaben der privaten Haushalte?
Unter den Konsumausgaben der privaten Haushalte werden alle unmittelbaren Ausgaben von Privatpersonen eines Haushalts in Waren und Dienstleistungen verstanden. Konsum ist der Verbrauch von Einkommen. Das Gegenteil ist Sparen, also das Einbehalten von Einkommen (Konsumverzicht) für einen zukünftigen Verbrauch. Das Gegenstück zu den Konsumausgaben der privaten Haushalte ist die Sparquote der privaten Haushalte. Allgemein geben die privaten Haushalte bei optimistischer Stimmung einen größeren Anteil ihres Einkommens aus, sie konsumieren. Ist die Stimmung eher negativ, z.B. in einer allgemeinen Wirtschaftskrise, behalten die privaten Haushalte einen größeren Anteil ihres Einkommens, z.B. aus Sorge vor Arbeitslosigkeit, ein, sie sparen das Einkommen.Konsumentenbefragungen, die die Konsumlaune, das Verbrauchervertrauen oder die Konsumstimmung der Verbraucher einfangen, sind in diesem Zusammenhang wichtige Konjunkturindikatoren. Konsumentenbefragungen ermöglichen es, einen Blick auf die kurz- bis mittelfristige Ausgabebereitschaft der Konsument*innen zu werfen, womit sich auch die zukünftige Entwicklung des Binnenmarktes prognostizieren lässt.