Folgen des Ukraine-Krieges für die Lebensmittelversorgung
Weizenengpass insbesondere für asiatische und afrikanische Staaten ein Problem
Russland und die Ukraine sind beide führende Erzeuger- und Exportländer für wichtige Agrargüter. So ist Russland das führende Anbau- und Exportland für Weizen und Weizenprodukte weltweit – mit einem Anteil von rund 20 Prozent an den weltweiten Exporten. Auch die Ukraine gehört als „Kornkammer Europas“ zu den bedeutendsten Lieferländern des Getreides (rund 8,5 Prozent der Exporte im jahr 2020/21). Weizen gehört als Grundnahrungsmittel zu den wichtigsten Getreidesorten weltweit. Dieses Getreide ist beispielsweise Grundzutat für Brot und Teigwaren (z. B. Nudeln) und wird auch als Futtermittel in der Nutztierhaltung verwendet. Trotz der hohen Bedeutung der Ukraine und Russlands bei der weltweiten Weizenversorgung ist Deutschland nicht von Weizenimporten aus besagten Ländern abhängig. Denn: Gerade beim Weichweizen ist Deutschland ein Selbstversorger und nicht auf Importe aus dem Ausland angewiesen. Insbesondere für Afrika sowie den Nahen und Mittleren Osten befürchteten Experten in der Frühphase des Krieges jedoch eine weitere Verknappung und Lieferengpässe von Weizen, etwa aufgrund von Produktionsrückgängen sowie blockierter Transportwege in der Ukraine.Neben den Versorgungsengpässen hat der Krieg in der Ukraine insbesondere im Jahr 2022 zu einer angespannten Lage im globalen Weizenmarkt geführt. So hat der Krieg im besagten Jahr einen deutlichen Anstieg der Weizenpreise verursacht. Das heißt, dass die durch den Krieg induzierten Ausfälle durch Importe aus anderen Regionen kompensiert werden müssen. Auch dies kann zu einem Anstieg der Weizenpreise hierzulande beitragen. Dabei kam es jedoch bereits im Vorjahr auf dem Getreidemarkt insgesamt zu Preissteigerungen. Die Corona-Krise, logistische Probleme, steigende Energiepreise sowie eine stark anziehende Nachfrage bei gleichzeitig niedrigen Erntemengen in den Vorjahren trugen zu dieser Entwicklung bei. Mittlerweile zeichnet sich wieder eine leichte Entspannung auf dem Getreidemarkt ab. Grund hierfür ist u. a. das Ende Juli vereinbarte Exportabkommen zwischen Russland und der Ukraine, das es dem ukrainischen Weizen ermöglicht, über die Schwarzmeerhäfen exportiert zu werden. Im Juli 2023 wurde das Getreideabkommen jedoch von Russland ausgesetzt.
Preise für Speiseöle sind explodiert
Neben Weizen ist die Ukraine auch ein wichtiges Erzeuger- und Exportland für Sonnenblumenöl. Im Jahr 2020/21 kam die Ukraine auf einen Marktanteil von nahezu 47 Prozent an den weltweiten Exporten des beliebten Speiseöls. Russland folgte mit einem Anteil von 29 Prozent auf dem zweiten Rang. Anders als beim Weizen war die Ukraine bisher ein wichtiger Lieferant von Sonnenblumenöl für Deutschland. So gehört das Land, zusammen mit den Niederlanden und Ungarn, zu den führenden Lieferländern von Sonnenblumenöl. Laut USDA-Daten soll dabei vor allem der Export von verarbeiteten Sonnenblumenprodukten aus der Ukraine, wie etwa Sonnenblumenöl und -schrot, zurückgehen. Im Gegenzug wird ein Anstieg bei der Ausfuhr von Sonnenblumensaat erwartet.Wie beim Weizen ließ sich ein kräftiger Anstieg der Sonnenblumenölpreise am Weltmarkt beobachten. Auch bei anderen pflanzlichen Ölen, wie etwa Rapsöl, sind die Preise angezogen. Dies lässt sich ebenfalls auf die angespannte Lage auf dem Sonnenblumenölmarkt zurückführen. Denn die Nachfrage nach Alternativen zum Sonnenblumenöl ist durch den Russland-Ukraine-Krieg gestiegen. Nach einem Rekordhoch im März 2022 sind die Preise der wichtigsten pflanzlichen Öle jedoch auch wieder gesunken.
Folgen von gestiegenen Kosten für Energieträger und Düngemittel
Doch nicht nur der Rückgang der russischen und ukrainischen Agrarproduktion und des -exports stellt eine Herausforderung für die Landwirtschaft und die Ernährungsindustrie dar. Auch gestiegene Preise und Versorgungsengpässe bei Energieträgern wie Gas und Kraftstoffen (z. B. Benzin und Diesel) sowie Düngemittel erhöhen die Kosten für die Landwirte und Unternehmen in der Ernährungsindustrie.Energie- und Transportkosten
Die Ernährungsbranche gehört zu den größten Verbrauchern von Erdgas in Deutschland. In der Ernährungsindustrie wird Gas dabei insbesondere als sogenannte Prozessenergie gebraucht – sei es zum Trocknen, Kochen, Garen oder Abkühlen von Zutaten, Lebensmitteln oder Futtermitteln. Einige Branchen, wie etwa Bäckereien, Mühlen, Molkereien sowie Schlachthöfe sind dabei verstärkt auf Erdgas angewiesen. Darüber hinaus ist Gas ebenfalls ein wichtiger Rohstoff zur Herstellung von Düngemitteln sowie Verpackungen (z. B. Glas, Karton, Aluminium).
Des Weiteren ist auch der Betrieb und Unterhalt für landwirtschaftliche Maschinen und Anlagen sowie der Transport von Nahrungsmitteln durch die gestiegenen Kraftstoff- und Energiepreise teurer geworden. Laut einer Umfrage unter Mittelständlern aus dem Februar/ März 2022 gaben vor allem Unternehmen aus der Ernährungs- und Agrarbranche an, dass die gestiegenen Strompreise, Kraftstoffpreise sowie Gaspreise das Geschäft spürbar beeinträchtigen. In der deutschen Landwirtschaft sind die Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte zeitweise stark gestiegen. Nach den Spitzenwerten des Oktobers 2022 sind auch hier die Erzeugerpreise wieder rückläufig.
Düngemittel
Auch der internationale Markt für Düngemittel ist durch den Russland-Ukraine-Krieg ins Wanken geraten. Russland gehört zu den führenden Produzenten und Exporteuren von Düngemitteln weltweit. Durch russische Exportbeschränkungen sowie diverse Sanktionen gegen Russland sind die Preise für Düngemittel zuletzt gestiegen und es kommt auch vermehrt zu Knappheiten auf dem zuvor schon angespannten Düngemittelmarkt. Insgesamt kam Russland im Jahr 2021 auf einen Anteil von etwa 14,7 Prozent an den weltweiten Exporten für Düngemittel. Auf dem Exportmarkt für Kaliumdünger konnte Russland im Jahr 2020 sogar einen Marktanteil von rund 23 Prozent auf sich vereinen. Unter den russischen Düngemitteln waren dabei insbesondere Kaliumchlorid und Harnstoff (Urea) die Exportschlager. Wichtigstes Abnehmerland von Düngemitteln aus Russland war zuletzt Brasilien. Auch für Deutschland gehört Russland zu den wichtigsten Lieferländern von Düngemitteln. Knapp zwölf Prozent des chemischen und mineralischen Düngers stammte im Jahr 2021 aus der Russischen Föderation. Düngemittel sind für das Wachstum und die Erträge von pflanzlichen Agrarerzeugnissen (wie Getreide) elementar. Somit ist nicht nur die Unterversorgung des Weltmarktes mit ukrainischem und russischem Getreide ein Problem für die Ernährungssicherheit, sondern auch ein Mangel an Düngemitteln stellt eine große Herausforderung für die Erträge der Landwirtschaft dar.
Rekordinflation trübt die Verbraucherstimmung
Die Verbraucherstimmung fiel seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine, aufgrund der erhöhten Inflationsrate und der Unsicherheit durch den Krieg, weitgehend negativ aus. Viele sind durch die steigenden Preise besorgt.In der Anfangsphase kam es dabei, wie bereits zu Beginn der Corona-Krise, erneut zu Hamsterkäufen. Lebensmittel, bei denen Versorgungsengpässe befürchtet wurden, landeten jedoch insbesondere in den ersten Wochen nach Kriegsbeginn vermehrt in den Einkaufswägen. Durch „Hamsterkäufe“ zeichneten sich in den Geschäften des Einzelhandels leere Regale bei Produkten wie Mehl und Speiseöl ab.
Verändertes Kaufverhalten der Verbraucher
Vor dem Hintergrund der gestiegenen Preise versuchen viele Verbraucher bei ihren Einkäufen zu sparen. Ein Großteil der Konsumenten vergleicht nun häufiger Preise, schränkt die Konsumausgaben ein oder greift auf Handelsmarken zurück. Handelsmarken gelten dabei als günstige Alternative zu Markenprodukten. Dabei haben sich die Preise von Handels- und Herstellermarken im Zuge der Preissteigerungen weiter angenähert. Zum Beispiel sind die Markenprodukte bei Edeka im August 2022 laut einer Untersuchung um 12,8 Prozent seit Januar 2022 gestiegen. Die Preise für die Produkte von der Edeka-Eigenmarke „Gut & Günstig“ verbuchten sogar einen Anstieg von 24,1 Prozent.
Reformhäuser, Naturkostläden und Biosupermärkte erleiden Umsatzverluste
Auch Bio-Supermärkte, Naturkostfachhändler und Reformhäuser gehören zu den Leidtragenden der gestiegenen Preise für Gas, Strom und Lebensmittel. Aufgrund der Preissteigerungen gaben rund 30 Prozent der Verbraucher an, weniger Bioprodukte kaufen zu wollen. Insgesamt erlitten Reformhäuser und Naturkostläden im ersten Halbjahr 2022 einen Umsatzverlust von 39 Prozent. Bei den Bio-Supermärkten lag der Umsatzverlust bei 17 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.