Wirtschaftsstandort Deutschland: Standortfaktoren im Fokus
Standortfaktor „gesetzlicher Rahmen“
Im World Competitiveness Ranking 2023 von IMD (International Institute for Management Development) lag Deutschland in der Kategorie "Effizienz der Politik" lediglich auf Platz 27 von 64 untersuchten Ländern; damit ist Deutschland im Vergleich zum Vorjahr sogar noch um sechs Plätze abgerutscht. Berücksichtigt in dem Ranking werden dabei Aspekte wie Steuerpolitik, die Gesetzgebung für die Wirtschaft, institutionelle Rahmenbedingungen wie das Ausmaß an Bürokratie oder auch grundlegende gesellschaftliche Rahmenbedingungen wie Rechtsstaatlichkeit und eine gerechte Justiz. In anderen Ländern finden Unternehmen demnach bessere Voraussetzungen als in Deutschland vor, wenn es um die „Effizienz der Politik“ geht.In einer Studie der Stiftung Familienunternehmen wird die Attraktivität des deutschen Standorts aus der Perspektive von großen Familienunternehmen bewertet und mit der Standortattraktivität wichtiger Wettbewerberländer verglichen. In dieses Ranking fließen die für große Familienunternehmen besonders wichtigen Standortvoraussetzungen in Deutschland als Subindizes ein. Laut dem Subindex Regulierung gibt es in den USA (mit einem Indexwert von 81,32) die besten regulatorischen Rahmenbedingungen für Familienunternehmen, hier gibt es die wenigsten Hemmnissen durch Regulierungen auf dem Arbeitsmarkt, im Außenhandel, bei der Gründung neuer Unternehmensstandorte und in der täglichen Geschäftstätigkeit. Deutschland befindet sich mit einem Indexwert von 36,3 im vorliegenden Vergleich weit hinten auf dem 19. Platz.
- Unternehmen stöhnen unter hoher bürokratischer Belastung
Häufig hört man von den Unternehmen, dass die bürokratischen Vorschriften und Prozesse in Deutschland zu kompliziert, zeitaufwendig und ineffizient sind. Durch eine hohe bürokratische Belastung können Unternehmen in ihrer Geschäftstätigkeit eingeschränkt werden, wenn sie Zeit und Ressourcen für bürokratische Aufgaben aufwenden müssen, anstatt sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren zu können. Konkret beklagen Unternehmen sich häufig über langwierige Genehmigungsverfahren, umständliche Formulare, hohe bürokratische Hürden bei der Gründung neuer Unternehmen und die Notwendigkeit, eine Vielzahl von Vorschriften und Gesetzen einzuhalten.
Die Kosten für Bürokratie für die deutsche Wirtschaft haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Allein für das Jahr 2022 wurde eine Zunahme der jährlich anfallenden Kosten, die in Unternehmen durch die Befolgung rechtlicher oder gesetzlicher Vorgaben entstanden sind, von ca. 711 Millionen Euro registriert, im Vorjahr stieg der jährlich anfallende sogenannte Erfüllungsaufwand der Wirtschaft sogar um 8,34 Milliarden Euro. Auch der einmalig von Unternehmen zu leistende Aufwand stieg in den letzten Jahren kräftig, allein im Jahr 2022 um 6,97 Milliarden Euro. Die Veränderung des Erfüllungsaufwands ist ein wichtiger Indikator zur Beurteilung der Folgekosten für die betroffenen Unternehmen, wenn die Bundesregierung neue Gesetze erlässt. Es ist somit ein Maß für die bürokratischen Folgen, die die Gesetzgebung mit sich bringt. Zu den rechtlichen oder gesetzlichen Vorgaben gehören z.B. Melde- und Dokumentationspflichten (etwa für Beschäftigte), Kennzeichnungspflichten (z.B. vorgegebene Labels für bestimmte Produkte) oder die Mitwirkung bei Kontrollen (z.B. durch das Finanzamt) genauso wie Vorgaben des Arbeits- und Tierschutzes oder die Pflicht zur Einhaltung gesetzlich vorgeschriebener technischer Mindeststandards.
Der Bürokratiekostenindex (BKI), der ebenfalls vom Statistischen Bundesamt zur Messung und Darstellung der bürokratischen Belastung erhoben wird, bezieht sich nur auf einen Teil des Erfüllungsaufwands. Der BKI soll lediglich den Aufwand für die Erledigung des "klassischen Papierkrams" messen, der in Unternehmen aufgrund von bundesrechtlichen Informationspflichten entsteht, hierzu gehört z.B. das Durchführen von Meldungen, das Stellen von Anträgen oder die Erbringung von Nachweisen. Laut BKI ist der Aufwand für den anfallenden „Papierkram“ in den letzten Jahren, insbesondere seit Mitte 2019, zurückgegangen. Der Bürokratiekostenindex misst wie beschrieben allerdings lediglich einen Teil der bürokratischen Belastungen, die in Unternehmen in Deutschland gegenwärtig sind - trotz der gesunkenen Bürokratiekosten ist der Erfüllungsaufwand in den letzten Jahren wie oben erwähnt insgesamt angestiegen. - Deutschland ist ein Hochsteuerland
In Deutschland gibt es eine vergleichsweise hohe Steuerbelastung für Unternehmen, was die Attraktivität des Standorts verringert. Die Besteuerung von Unternehmen in Deutschland besteht grundsätzlich aus drei Teilen, der Körperschaftsteuer (für Kapitalgesellschaften, für Personengesellschaften gibt es die Einkommensteuer für die Gesellschafter:innen), der Gewerbesteuer und dem Solidaritätszuschlag. Laut BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) verursacht insbesondere die Gewerbesteuer aufgrund einer gesonderten Bemessungsgrundlage mit umfangreichen Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften sowie komplexer Zerlegungsvorschriften einen hohen bürokratischen Zusatzaufwand. Der nominale Körperschaftsteuersatz in Deutschland beträgt derzeit 15 Prozent auf den zu versteuernden Unternehmensgewinn. Die von den Gemeinden erhobene Gewerbesteuer variiert je nach Gemeinde und Bundesland und liegt durchschnittlich bei etwas mehr als 14 Prozent auf den Gewinn. Hinzu kommt zudem der Solidaritätszuschlag in Höhe von 0,825 Prozent (bzw. 5,5 Prozent der Körperschaftsteuer). In der Summe lag die nominale Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften in Deutschland im Jahr 2023 bei durchschnittlich 29,94 Prozent. Im Vergleich mit den G7-Staaten und den deutschen Nachbarländern war die nominale Steuerbelastung für Unternehmen in Deutschland somit am höchsten und lag auch deutlich über dem OECD- und EU-Durchschnitt von 23,6 bzw. 21,13 Prozent. Vergleichsweise niedrig war die Steuerbelastung dagegen in der Schweiz, in Tschechien und in Polen; hier lag die nominale Steuerbelastung jeweils unter 20 Prozent. Berücksichtigt man noch weitere Steuerbelastungen, aber auch Steuervergünstigungen, Abschreibungen und andere steuerliche Maßnahmen, kann man die effektive Steuerbelastung von Unternehmen errechnen: mit einem effektiven Steuersatz von 28,5 Prozent steht Deutschland auch hier weit oben im Ländervergleich, nur in Japan und in Spanien war die Steuerbelastung noch höher.
In der oben bereits erwähnten Studie zur Attraktivität des deutschen Standorts im Vergleich mit ausländischen Standorten aus der Perspektive von großen Familienunternehmen wurden auch die steuerlichen Rahmenbedingungen bewertet, dabei geht es insbesondere um die Besteuerung bei nationaler Geschäftstätigkeit und im Erbfall, um Aspekte der Besteuerung bei grenzüberschreitender Geschäftstätigkeit und allgemein der Komplexität des Steuersystems. Deutschland befindet sich im mit einem Indexwert von 33,35 weit hinten auf dem vorletzten Platz. Zum Vergleich: Die Slowakei hatte als Standort mit einem Indexwert von 85,24 die besten steuerlichen Rahmenbedingungen für Familienunternehmen.
Die nominalen Steuersätze für Kapitalgesellschaften in Deutschland sind im Zeitraum zwischen 2008 und 2022 um 0,4 Prozentpunkte gestiegen. Im Vergleich der OECD-Staaten sind die nominalen Steuersätze nur in Portugal und Lettland mit jeweils etwa fünf Prozentpunkten noch stärker gestiegen. Damit unterscheidet sich Deutschland von den meisten anderen Ländern im Vergleich, die ihre nominalen Steuersätze für Kapitalgesellschaften im gleichen Zeitraum teils erheblich gesenkt haben. Besonders stark fiel der Steuersatz in den USA mit 13,4 Prozentpunkten. Bezüglich des Standortfaktors Steuerbelastung hat sich die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im betrachteten Zeitraum somit verschlechtert. Um die steuerliche Standortattraktivität Deutschlands zu erhöhen, werden unterschiedliche Maßnahmen diskutiert. So würden laut ZEW bspw. großzügigere Abschreibungsregelungen, wie die Möglichkeit einer Sofortabschreibung auf bewegliche Wirtschaftsgüter, die Standortattraktivität Deutschlands sofort erhöhen. Auch eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags sowie eine Absenkung der Gewinnsteuern für Unternehmen auf 25 Prozent würde die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken. - Politische Stabilität, aber Zweifel an der Verlässlichkeit
Grundsätzlich ist Deutschland für seine politische Stabilität bekannt. Deutschland hat ein stabiles demokratisches Regierungssystem, das auf der Gewaltenteilung basiert. Dabei gibt es klare Regeln und Verfahren für den politischen Entscheidungsprozess. Deutschland ist ein Rechtsstaat, in dem die Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit geschützt sind, was Vertrauen in das politische System schafft und für Stabilität sorgt. Allerdings kommt es in Deutschland auch immer mal wieder vor, dass Förderprogramme kurzfristig gestoppt werden; so führte z.B. das Bundesverfassungsgerichtsurteil im November 2023 zum Zweiten Nachtragshaushalt 2021, in dem dieser als verfassungswidrig eingestuft wurde, dazu, dass geplante Investitionen in verschiedenen Bereichen zurückgestellt oder abgesagt wurden. Eine fehlende Verlässlichkeit spricht natürlich nicht für den Standort Deutschland. Ebenso kann die derzeit vorliegende Uneinigkeit der Regierungsparteien, wenn es um Investitionen und die Schuldenbremse geht, den Standort Deutschland als Investitionsziel unattraktiv machen. Während die SPD und die Grünen auf eine Lockerung der Schuldenbremse drängen, um höhere staatliche Investitionen zu ermöglichen, möchte die FDP die Schuldenbremse unbedingt einhalten. Im Ergebnis entsteht auch hier eine gewisse fehlende Verlässlichkeit, ob Subventionen nach der nächsten Wahl und einer neuen Regierung eventuell doch noch erhalten oder umgekehrt wieder gestrichen werden könnten. Auch dies macht den Standort Deutschland für Investitionen eher unattraktiv.
Standortfaktor „Arbeitskräfte“
Deutschland verfügt grundsätzlich über eine gut ausgebildete und hochqualifizierte Bevölkerung, was für Unternehmen attraktiv ist. Insbesondere das duale Ausbildungssystem, das es den Auszubildenden ermöglicht, sowohl im Betrieb praktische als auch in der Berufsschule theoretische Fähigkeiten zu erwerben, trägt dazu bei, dass es in Deutschland eine hohe Fachkräftequalität gibt. Allerdings ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in den letzten Jahren eher rückläufig. Dies befeuert die größte Herausforderung für Unternehmen, wenn es um Arbeitskräfte geht: den Fachkräftemangel. Dabei stellt der Fachkräftemangel die Unternehmen je nach Branche und Region vor unterschiedlich starke Herausforderungen. Dieses Problem hat allerdings nicht nur Deutschland. Die hohen Arbeitskosten sind ein weiterer negativer Standortfaktor.Im Länder-Ranking der besten Standorte für Familienunternehmen wird der Faktor "Arbeit" als Zusammenspiel aus Arbeitskosten, Arbeitsproduktivität und Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften bewertet; Deutschland befindet sich mit einem Indexwert von 39,89 im Vergleich weit hinten auf dem 19. Platz, in Irland gibt es demnach die besten Rahmenbedingungen beim Faktor „Arbeit“ (Indexwert von 65,11).
- Fachkräftemangel belastet deutsche Unternehmen
Der Fachkräftemangel kann nicht nur von den Unternehmen, etwa durch attraktivere Gehälter, gelöst werden, viel mehr gibt es in Deutschland strukturelle Probleme, die den Fachkräftemangel beschleunigen. Die wesentlichen bestehen im Demografischen Wandel, aufgrund dessen weniger junge Arbeitskräfte auf den Arbeitsmarkt nachrücken als in Rente gehen. Zwar wurde das Renteneinstiegsalter in den vergangenen Jahren schrittweise angehoben, dennoch arbeiten in vielen Branchen Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmer über das Rentenalter hinaus, weil ihre Stelle nicht nachbesetzt werden konnte. In einigen Regionen kommt das Problem der Landflucht hinzu, d.h. es wandern immer mehr Nachwuchskräfte aus dem ländlichen in den städtischen Raum ab, das Ausmaß der Urbanisierung nimmt in Deutschland stetig zu.
In keinem anderen europäischen Land als in Deutschland berichten mehr Industrieunternehmen, dass ihre Geschäftstätigkeit vom Fachkräftemangel beeinträchtigt ist: 42,8 Prozent der im Rahmen einer europaweiten Erhebung befragten deutschen Unternehmen aus der Industrie berichteten im 2. Quartal 2022 über fehlendes Fachpersonal. Im Dienstleistungssektor lag der Anteil der betroffenen Unternehmen mit 49,4 sogar noch höher; hier steht Deutschland allerdings nicht mehr an der Spitze des Länder-Rankings, in Malta, der Niederlande und Schweden lag der Anteil der Unternehmen, deren Geschäftstätigkeit vom Fachkräftemangel beeinträchtigt ist, noch höher. Im deutschen Baugewerbe klagten 39,9 Prozent der befragten Unternehmen über einen Engpass bei Fachkräften, damit lag Deutschland etwas über dem EU-Schnitt. Die Branche mit der höchsten Nachfrage an Fachkräften in Deutschland war im 4. Quartal 2023 laut dem Fachkräfte-Index von Hays die Öffentliche Verwaltung. Berufe in Verkehr und Logistik sowie Verkaufsberufe waren die Berufsgruppen mit den meisten gemeldeten offenen Arbeitsstellen im Februar 2024. Daneben gehörten auch Mechatronik, Energie- und Elektroberufe, Maschinen- und Fahrzeugtechnikberufe sowie Berufe in der Metallerzeugung und -bearbeitung zu den Berufsgruppen mit der höchsten Nachfrage nach Arbeitskräften. - Hohe Arbeitskosten in Deutschland
Die Arbeitskosten in Deutschland sind vergleichsweise hoch; dieser Standortfaktor spricht aufgrund der in der Folge höheren Produktionskosten für Unternehmen im internationalen Vergleich eher gegen Deutschland. Im Jahr 2022 lagen die Arbeitskosten in der Privatwirtschaft in Deutschland bei 39,50 Euro pro geleisteter Arbeitsstunde. Damit liegt Deutschland im Vergleich der Arbeitskosten in den EU-Ländern an siebter Stelle, besonders hoch waren die Arbeitskosten in Luxemburg und Dänemark. Die Arbeitskosten der Industrieunternehmen des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland waren die europaweit vierthöchsten.
Standortfaktor „Infrastruktur“
Ein weiterer wichtiger Standortfaktor ist die Infrastruktur, die wesentlichen Elemente sind Straßen, Schienen, Flughäfen und Häfen, aber auch Kommunikationsnetze und die Energieversorgung gehören zur Infrastruktur. Deutschland verfügt über ein gut ausgebautes Verkehrsnetz, das es den Unternehmen ermöglicht, ihre Erzeugnisse effizient zu transportieren. Dabei stehen nicht nur Verkehrswege wie Straßen und Autobahnen zur Verfügung, auch das Schienennetz ist, trotz des teilweise maroden Zustands, vergleichsweise gut ausgebaut. Deutschland verfügt über mehrere Häfen, die eine Rolle im deutschen Seehandel spielen, insbesondere die Häfen von Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven. Die zentrale geografische Lage im Herzen Europas bietet eine Nähe zu anderen europäischen Märkten, dies macht Deutschland für internationale Unternehmen zu einem attraktiven Standort. Laut dem World Competitiveness Ranking 2023 befindet sich Deutschland im Ranking der Länder mit der besten Infrastruktur auf Platz 14; hier spielen allerdings auch Aspekte wie die Verfügbarkeit von wissenschaftlichen und menschlichen Ressourcen eine Rolle. Im Länderranking zur digitalen Wettbewerbsfähigkeit, das darauf abzielt, die Fähigkeit der Länder zu analysieren, Informations- und Kommunikations-Technologien einzuführen und diese in Unternehmen und Regierungsorganisationen zu implementieren, belegt Deutschland einen Platz im Mittelfeld. In Europa stehen in Sachen Digitalisierung insbesondere die skandinavischen Länder und die Niederlande laut dem Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) gut da. Dies liegt unter anderem am fortgeschrittenen Ausbau der technologischen Infrastruktur in den Ländern, d.h. es gibt eine höhere Verfügbarkeit und Qualität von Breitband-Internet, Mobilfunknetzen, Cloud-Services und anderen digitalen Infrastrukturen. Deutschland steht bezüglich des Digitalisierungsgrades nur knapp über dem EU-Durchschnitt, hier hat Deutschland Handlungs- und Nachholbedarf, um international in Sachen Digitalisierung wettbewerbsfähig zu bleiben.Aufgrund des Bundesverfassungsgerichtsurteils zum Bundeshaushalt im November 2023 fehlen im „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) 60 Milliarden Euro. In der Folge mussten Investitionen in verschiedenen Bereichen zurückgestellt oder abgesagt werden, um die Haushaltsvorgaben des Bundesverfassungsgerichts einzuhalten. Dazu gehören unter anderem geplante Infrastrukturprojekte wie der Ausbau von Straßen und Schienenwegen und Investitionen in die Digitalisierung. Diese Investitionen wären allerdings sehr wichtig, um den Standort Deutschland wettbewerbsfähiger zu machen.
Standortfaktor „Energie“
Die Familienunternehmen haben die Attraktivität des deutschen Standorts bezüglich einer kostengünstigen und zuverlässigen Energieversorgung sehr schlecht bewertet – allerdings wurde die Bewertung im Jahr 2022 vorgenommen. In dem Jahr hatte der Krieg in der Ukraine und die Verknappung der Lieferungen von Gas, Öl und Steinkohle zu einer starken Erhöhung der Energiepreise geführt, zudem wurde hierdurch die Gefahr einer Rationierung von Energie erstmal konkret. Aufgrund der in dem Jahr noch vorliegenden besonders großen Abhängigkeit Deutschlands von russischer Energie rutschte Deutschland in eine Energiekrise und landet im genannten Vergleich weit hinten im Ranking. Bis Anfang 2023 hat Deutschland jedoch große Teile der fehlenden Erdgaslieferungen aus Russland mit Lieferungen aus Norwegen, Belgien und den Niederlanden ausgeglichen. Somit steht Deutschland in Sachen zuverlässiger Energieversorgung wieder deutlich besser da als im Jahr 2022. Der Gaspreis in Europa ist nach dem Hoch im Sommer 2022 wieder deutlich gefallen. Auch für die Unternehmen des Produzierenden Gewerbes ist der Industriestrompreis in Deutschland wieder gesunken. Dennoch gehört der Faktor "Höhe der Energiekosten" zu den drei am schlechtesten in einer DIHK-Umfrage bewerteten Standortfaktoren. Auf einer Skala von "1: klarer Wettbewerbsvorteil" bis "6: nicht wettbewerbsfähig" bewerteten die Unternehmen in Deutschland die Höhe der Energiekosten mit 5,0. In den energieintensiven Branchen wie dem Ernährungsgewerbe oder der chemischen/ pharmazeutischen Industrie fiel die Bewertung erwartungsgemäß noch schlechter aus. Grundsätzlich hat aber nicht nur der Standort Deutschland, sondern ganz Europa schlechte Karten, wenn es um kostengünstige Energie geht; im Vergleich mit etwa den USA oder China sind die Energiepreise vergleichsweise hoch. Insbesondere für Unternehmen aus energieintensiven Industriezweigen sollten Investitionen in diese Standorte interessant sein.Gesamtbewertung
Im World Competitiveness Ranking 2023 von IMD (International Institute for Management Development) ist Deutschland zuletzt abgerutscht. Deutschland befindet sich im Ranking der Länder mit der besten Wettbewerbsfähigkeit auf Platz 22, im Vorjahr lag Deutschland noch auf Platz 15. Im Ranking zur Standortattraktivität verschiedener Länder aus der Perspektive von großen Familienunternehmen belegt Deutschland im Jahr 2022 einen der hinteren Plätze; hier spielt zwar wie bereits weiter oben erwähnt die vorübergehend sehr schlechte Bewertung der Energieversorgung eine Rolle, aber auch in den Bereichen Steuerregelungen, Regulierungen und Arbeitskosten wird der deutsche Standort schlecht bewertet. In einer im Sommer 2023 durchgeführten Erhebung des DIHK, in der 24 einzelne Standortfaktoren von Unternehmen bewertet wurden, war die Fülle und die mangelnde Verständlichkeit von bürokratischen Auflagen der Standortfaktor, der von Unternehmen in Deutschland am schlechtesten bewertet wurde. Auf einer Skala von "1: klarer Wettbewerbsvorteil" bis "6: nicht wettbewerbsfähig" bewerteten die Unternehmen die Bürokratie in Deutschland mit 5,2. Die Höhe der Energiekosten und die Effizienz der Behörden wurden mit jeweils 5,0 bewertet. Der am besten bewertete Standortfaktor Deutschlands war die Vernetzung von Forschung/ Hochschulen und den Unternehmen, dies wurde mit 2,9 bewertet. Insgesamt wurden die Standortfaktoren Deutschlands im Rahmen der vom DIHK durchgeführten Umfrage von Unternehmen noch nie so schlecht bewertet wie in der neuesten Ausgabe. Bei der Bewertung der einzelnen Standortfaktoren ist nur der Standortfaktor "Einstellung der Bevölkerung zu Großprojekten" unverändert bewertet worden, alle anderen der insgesamt 24 Standortfaktoren wurden schlechter bewertet als noch drei Jahre zuvor. Im Mittelwert der Bewertung der Standortfaktoren für den Wirtschaftsstandort Deutschland ergab sich ein Note von 4,0 (auf einer Skala von 1 bis 6, die Schulnoten entspricht), ein neuer Tiefpunkt. In einer im Oktober 2023 vom ifo-Institut durchgeführten Umfrage unter Familienunternehmen wurde diese schlechte Bewertung bestätigt: die steuerlichen Rahmenbedingungen, die hohe Regulierungsdichte und Bürokratie sowie die hohen Arbeitskosten wurden jeweils von mindestens 75 Prozent der Unternehmen als Hemmnis für Investitionen in Deutschland genannt. Für die Energiekosten und das Fachkräfteangebot gilt das gleiche. Im März 2023 gaben mehr als die Hälfte der in einer Umfrage befragten Lieferketten-Verantwortlichen aus unterschiedlich großen Unternehmen in Deutschland an, dass Nordamerika ein derzeit attraktiverer Investitionsstandort als Deutschland ist. Immerhin 46 Prozent sahen in Osteuropa einen lohnenderen Standort.Ein weiterer Hinweis für die derzeitige mangelnde Attraktivität des Standortes Deutschland kann in der Differenz von ausländischen Direktinvestitionen in den Standort Deutschland und Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland gesehen werden. Die ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland sind in den letzten drei Jahren nicht nur gesunken, in der Summe ist auch Geld aus Deutschland abgeflossen: die Nettoabflüsse, also die Differenz von Zuflüssen nach Deutschland und Abflüssen aus Deutschland, lagen im Jahr 2023 bei rund 94,1 Milliarden Euro. Dies bedeutet, dass deutsche Unternehmen um 94,1 Milliarden höhere Investitionen im Ausland getätigt, als andersherum ausländische Unternehmen in Deutschland investiert haben. Insgesamt ist die Anzahl der Projekte mit ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland in den letzten Jahren zurückgegangen.
Die aktuelle Wirtschaftspolitik der Bundesregierung mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland wurde im Rahmen einer vom DIHK durchgeführten Umfrage noch nie so schlecht bewertet wie in der neuesten Ausgabe. Auf einer den Schulnoten entsprechenden Skala hat mehr als jedes dritte befragte Unternehmen die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung als ungenügend bewertet (Schulnote 6). Fast zwei Drittel der Unternehmen haben die Wirtschaftspolitik mit einer 5 oder einer 6 bewertet. Im Schnitt ergab sich eine Durchschnittsnote von 4,8. Dies war die schlechteste Durchschnittsnote in der seit 2008 durchgeführten Befragung.