Zur Einschätzung und Beurteilung der konjunkturelle Lage in Deutschland können verschiedene Konjunkturindikatoren herangezogen werden. Diese werden in Deutschland von verschiedenen Institutionen erhoben und veröffentlicht; sowohl von staatlichen Stellen als auch von Wirtschaftsforschungsinstituten und Marktforschungsunternehmen. Die Indikatoren werden häufig in kurzen Abständen erhoben, meist monatlich oder quartalsweise, und werden in den Medien und an den Börsen viel beachtet. Die Indikatoren lassen sich unterscheiden in Frühindikatoren, die die künftige Lage vorausdeuten, Präsenzindikatoren, die die gegenwärtige Situation abbilden und Spätindikatoren, die die konjunkturelle Entwicklung mit Verzögerung nachvollziehen. Darüber hinaus kann zwischen realwirtschaftlichen Kennzahlen wie dem Bruttoinlandsprodukt und Ergebnissen aus Befragungen von Unternehmen, Verbrauchern oder Wirtschaftsexperten unterschieden werden. Diese werden in der Regel nach unterschiedlichen Kriterien gewichtet und indexiert, um Vergleiche zwischen verschiedenen Zeitpunkten herstellen zu können.
Frühindikatoren reagierten stark auf den Krieg in der Ukraine
Das Volumen der Auftragseingänge in der Industrie gehört zu den Frühindikatoren, die Hinweise auf die künftige Lage der Wirtschaft geben. Nachdem zu Beginn der Corona-Krise im März und April 2020 die Auftragseingänge regelrecht eingebrochen sind, hat das Volumen der Aufträge in den folgenden Monaten wieder zugenommen, seit Ende 2020 sind die Zuwachsraten mal positiv, mal negativ. Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine überwiegen erneut die Monate mit Rückgängen bei den Auftragseingängen. Ein Jahr nach Kriegsbeginn, im Februar 2023, ist das Auftragsvolumen im Vergleich zum Vormonat allerdings um 4,8 Prozent gestiegen - dies ist die höchste Wachstumsrate seit Juni 2021.Mit dem Krieg in der Ukraine und den einhergehenden Sanktionen des Westens gegenüber Russland stehen der globalisierten Wirtschaft unsichere Zeiten bevor. Viele europäische Staaten sorgten sich nach dem Angriff um die Versorgung mit russischem Öl und Erdgas, die Energiepreise auf dem Weltmarkt stiegen dadurch rasant und lösten in Deutschland eine Energiekrise aus. Auch für die Endverbraucherinnen und Endverbraucher stiegen die Preise für Energierohstoffe deutlich an. Ebenso zeigte die Preisentwicklung in anderen Bereichen deutlich nach oben, die Inflation ist seit Monaten auf Rekordniveau. Dies wirkt sich wiederum negativ auf die Kaufkraft und die Binnenkonjunktur aus.
Der ZEW-Index zur Konjunkturerwartung, der die Erwartungen von Finanzexperten bezüglich der Konjunkturentwicklung in den nächsten sechs Monaten widerspiegelt, brach im März 2022 so stark ein, wie in keiner Wirtschaftskrise zuvor. Mittlerweile befinden sich die ZEW-Konjunkturerwartung wieder im positiven Bereich, allerdings auf eher niedrigem Niveau. Zu den in Deutschland am meisten beachteten Konjunkturindikatoren gehört auch der ifo-Geschäftsklimaindex, der die Beurteilung der gegenwärtigen Geschäftslage sowie die Erwartungen für die nächsten sechs Monate von Unternehmen in einem Indexwert abbildet. Auch das ifo-Geschäftsklima ging im März 2022 als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine deutlich zurück und sank bis Oktober 2022 sogar noch weiter. Bis März 2023 hat sich das Geschäftsklima wieder verbessert, die Unternehmen waren mit den laufenden Geschäften wieder zufriedener, insbesondere stiegen aber die Erwartungen für die nächsten Monate.
Präsenzindikatoren zeigen keine Erholung nach der Corona-Krise
Präsenzindikatoren blicken anders als die Frühindikatoren nicht in die Zukunft, sondern bilden die gegenwärtige Situation ab. Schnellmeldungen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) können als Präsenzindikator gesehen werden, das BIP kann allerdings auch eher den Spätindikatoren zugeordnet werden. Losgelöst von der Frage, ob das BIP eher ein Präsenz- oder ein Spätindikator ist, ist die Maßzahl für die wirtschaftliche Leistung sicherlich der wichtigste und meistbeachteste Konjunkturindikator. Im Jahr 2020 belasteten die Auswirkungen der Corona-Krise und der damit einhergehende Shutdown die deutsche Wirtschaft schwer, im zweiten Quartal ging das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem Vorquartal um 9,5 Prozent zurück. Das war laut Statistischem Bundesamt der stärkste Rückgang seit Beginn der vierteljährlichen BIP-Berechnung seit dem Jahr 1970. Im 3. Quartal 2020 hat sich das Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorquartal wieder deutlich erholt. Nach einem erneuten Rückgang im ersten Quartal 2021 steigt das BIP aber wieder tendenziell mit moderaten Wachstumsraten. Zuletzt ging die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal 2022 allerdings wieder zurück und sank um 0,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Damit blieb die wirtschaftliche Erholung hinter den Erwartungen zurück - die anhaltende Corona-Pandemie sorgt weiterhin für Lieferengpässe, zudem verschärft der Krieg in der Ukraine die Unsicherheit im relevanten Energiesektor. Überdies gehören u. a. die monatlichen Meldungen zum Außenhandel sowie Statistiken zur Produktion im Produzieren Gewerbe zu den Präsenzindikatoren.Spätindikatoren zeigen die Corona-Krise deutlich
Spätindikatoren zeigen die konjunkturelle Entwicklung mit einer etwas größeren zeitlichen Verzögerung. Die Arbeitslosenquote gehört sicherlich zu den prominentesten Spätindikatoren und zeigt deutlich die Auswirkungen der Corona-Krise seit März/ April 2020. Auch die Statistiken zu den Insolvenzen von Unternehmen ist dieser Gruppe der Konjunkturindikatoren zuzuordnen, allerdings kann ein Blick darauf derzeit irreführend sein. Die Zahl der Insolvenzen lag, insbesondere seit der zweiten Hälfte des Jahres 2020, auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Im gesamten Jahr 2020 gab es in Deutschland 13.841 Unternehmensinsolvenzen, laut Statistischem Bundesamt war dies der niedrigste Stand seit Einführung der Insolvenzordnung im Jahr 1999. Gegenüber dem Vorjahr gingen die Unternehmensinsolvenzen 2020 um 15,5 Prozent zurück. Dies ist allerdings nicht trotz, sondern viel mehr wegen der Corona-Krise so: Der Grund für den niedrigen Wert im Jahr 2020 liegt laut Destatis hauptsächlich in der aufgrund der Corona-Krise ausgesetzten Insolvenzantragspflicht. Im Jahr 2022 gab es 14.590 Unternehmensinsolvenzen in Deutschland (nach 13.993 im Jahr 2021).Für einen Blick auf die künftige wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland erstellen einige Wirtschaftsforschungsinstitute wie auch staatliche Stellen regelmäßig Konjunkturprognosen. Wegen der schwer vorhersehbaren wirtschaftlichen Entwicklung in der Corona-Krise sind diese derzeit aber mit einer gewissen Unsicherheit behaftet.
In unserem Dossier zur Konjunktur in Deutschland sind eine Reihe von relevanten Statistiken zum Thema zusammengestellt.