Politische Stimmung und Meinungen der Bevölkerung 2024
Wann soll Scholz die Vertrauensfrage stellen?
Kanzler Olaf Scholz plant, die Vertrauensfrage im Bundestag im Januar 2025 zu stellen und bis dahin in einer Minderheitsregierung zu regieren. Neuwahlen wären dann aller Voraussicht im März möglich. Stellt die Kanzler die Vertrauensfrage früher, können auch Neuwahlen entsprechend früher durchgeführt werden. Im Rahmen einer Umfrage aus dem November 2024 gab eine Mehrheit von rund 54 Prozent an, die Neuwahlen früher durchzuführen. 30 Prozent der Befragten waren für eine Neuwahl im März 2025.Auch die FDP plädiert für schnelle Neuwahlen. Im Rahmen einer Umfrage gaben rund 31 Prozent an, dass die Liberalen hauptsächlich am Bruch der Ampel-Koalition schuld sei. 39 Prozent gaben an, dass alle drei Koalitionspartner gleichermaßen am Bruch der Koalition schuld seien. Die Entlassung von Bundesfinanzminister Christian Lindner befanden rund 59 Prozent der Befragten als gut.
Sonntagsfrage und Bewertung der Regierung
Am 26. September 2021 fand die Wahl zum 20. Bundestag statt. Dabei wurde die SPD nach dem amtlichen Ergebnis der Bundestagswahl erstmals seit 2002 wieder stärkste Kraft in Deutschland. Nach den Koalitionsverhandlungen bildete sich die neue Bundesregierung bestehend aus SPD, Grünen und FDP. Die CDU/CSU fuhr das schlechteste Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik ein und landete nach 16 Jahren das erste Mal wieder auf der Oppositionsbank, während die SPD wieder den Kanzler stellt.Vor und nach der Bundestagswahl war die SPD monatelang in der Sonntagsfrage die stärkste Kraft. Doch mittlerweile ist die Union laut verschiedener Institute wieder an der SPD vorbeigezogen. Während die beiden anderen Koalitionspartner Bündnis 90/ Die Grünen und die FDP ebenfalls bei den vergangenen Sonntagsfragen in einem Umfragetief stecken, stiegen die Umfrageergebnisse der AfD an. Nach den Spionagevorwürfen gegen unterschiedliche AfD-Politiker und die anhaltende Nähe zum Rechtsextremismus wurde der gesellschaftliche Gegenwind für die die rechtspopulistische Partei rauer.
Die Linke befindet sich nach den letzten Umfragen unter fünf Prozent. Auch bei der Bundestagswahl 2021 scheiterte Die Linke an der magischen 5-Prozent-Hürde, konnte aber aufgrund von drei gewonnenen Direktmandaten dennoch erneut in Fraktionsstärke in das deutsche Parlament einziehen. Anfang Dezember 2023 musste Die Linke jedoch ihre Fraktion im Bundestag auflösen, da zehn Abgeordnete aus Partei und Fraktion austraten. Die Gruppe um die prominente Politikerin Sahra Wagenknecht verkündete zu Beginn des Jahres 2024, dass sie mit der Partei "Bündnis Sahra Wagenknecht" im Wahljahr 2024 antreten wird. In den Sonntagsfragen bewegt sich das BSW um die 5-Prozent-Hürde.
Zufriedenheit mit der Bundesregierung und einzelnen Politikern
In einer Ende Oktober 2024 durchgeführten Umfrage zeigten sich lediglich 14 Prozent der Befragten zufrieden oder sogar sehr zufrieden mit der derzeitigen Bundesregierung bestehend aus SPD, Grünen und FDP. Hierbei waren die befragten SPD-Anhänger:innen mit 34 Prozent am zufriedensten mit der Bundesregierung, 96 Prozent der befragten AfD-Anhängerschaft waren hingegen weniger oder gar nicht zufrieden. Mit der politischen Arbeit des Bundeskanzlers Olaf Scholz waren Ende Oktober 2024 rund 19 Prozent der Befragten zufrieden oder sogar sehr zufrieden, in der Legislaturperiode entspricht dies dem bisherigen Tiefstwert. Der amtierende Verteidigungsminister Boris Pistorius kommt seit seinem Amtsantritt im Januar 2023 auf die höchsten Zufriedenheitswerte - rund die Hälfte der Befragten zeigte sich zufrieden bis sehr zufrieden.Neue Migrationsdebatte nach Terroranschlägen und AfD-Wahlerfolgen
Durch den Ukraine-Krieg kamen rund 1,1 Millionen Kriegsflüchtlinge nach Deutschland, doch auch aus anderen Krisenherden lässt der Zustrom an Migranten nach Deutschland nicht nach. Die Anzahl der Asylanträge liegt im September 2023 im Vorjahresvergleich um rund 50 Prozent höher. Viele Kommunen signalisierten bereits das Ende der Aufnahmekapazität in ihren Einrichtungen. Im Rahmen einer Umfrage aus dem September 2023 sah es eine Mehrheit von 87 Prozent als Aufgabe des Staates, die Zuwanderung aktiv zu steuern. Doch mit welchen Maßnahmen kann die Zuwanderung gesteuert bzw. reguliert werden? Im September 2024 sprachen sich 73 Prozent der Befragten für dauerhafte Grenzkontrollen aus, 71 Prozent waren für die Einführung einer Obergrenze. Aktuell arbeiten die europäischen Staaten an einer gemeinsamen Strategie, um die Herausforderung der Migration zu lösen. Für einen europäischen Lösungsweg in der aktuellen Migrationsdebatte sprachen sich 64 Prozent der Befragten im Oktober 2023 aus. Im Rahmen einer Umfrage aus dem Juni 2023 plädierten 70 Prozent der Befragten für eine Prüfung des Asylrechts an den EU-Außengrenzen.Mit den islamistischen Terroranschlägen von Mannheim und Solingen rückte der Umgang mit dem politischen Islam auf die öffentliche Agenda. Die Bundesregierung reagierte auf die Attentate mit Abschiebungen nach Afghanistan oder dem Verbot des Islamische Zentrum Hamburg. Weitere Reformen der Migrationspolitik werden kontrovers diskutiert. Im September 2024 gaben rund 77 Prozent der Befragten an, dass Deutschland eine neue Asyl- und Flüchtlingspolitik benötigt.
Von den polarisierten Debatten um die Migrationspolitik scheint in erster Linie eine Partei zu profitieren – die rechtspopulistische AfD. Seit dem Sommer 2023 befindet sich die AfD in einem Umfragehoch und erreicht in den bundesweiten Sonntagsfragen um die 20 Prozent. Bei den Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg erzielte die AfD hohe Zustimmungswerte.
Zum Hintergrund: Im Januar 2024 veröffentlichte das Recherchenetzwerk Corrcetiv einen Bericht über ein politisches Treffen mit Vertreter:innen der „Neuen Rechten“ und ihre Idee, einen Teil der Bevölkerung aus Deutschland zu „re-migrieren“ bzw. zur Auswanderung zu drängen. Bei diesem Treffen in Potsdam waren unter anderem Vertreter:innen der AfD sowie der CDU bzw. Werteunion vertreten.
Nach dem Bekanntwerden der Re-Migrationspläne wurden in zahlreichen deutschen Städten und Kommunen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus organisiert. Im Rahmen einer Umfrage zeigten rund 72 Prozent der Befragten Verständnis für diese Proteste. Im Zuge dessen wurde der politische und gesellschaftliche Umgang mit der AfD diskutiert. Demnach plädierten rund 65 Prozent der Befragten für eine stärkere politische Auseinandersetzung der Bundestagsparteien mit der AfD. Bei der Frage nach der Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens gegen die AfD zeigten sich die Befragten geteilter Meinung.Doch nicht nur in Bezug auf rechtsextreme Tendenzen steht die AfD in der Kritik: Die AfD wurde bereits in der Vergangenheit für ihre politische Nähe zu totalitären Regimen kritisiert. Im Frühjahr 2024 wurden zudem zahlreiche Ermittlungen aufgrund des Spionageverdachts gegen AfD-Politiker und politische Mitarbeiter aufgenommen. Besonders die beiden AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah und Petr Bystron standen im Fokus. Bystron soll russisches Schmiergeld angenommen haben, ein enger Mitarbeiter von Krah wurde aufgrund des Verdachts der Zusammenarbeit mit dem chinesischen Geheimdienst festgenommen. Die Abgeordnetenbüros im Bundestag und im Europäischen Parlament in Brüssel wurden durchsucht. Im Rahmen einer Umfrage aus dem Mai 2024 gaben rund 70 Prozent der Befragten an, dass die AfD die politische Nähe einiger Politiker zu Russland und China überdenken solle.
Sorgen um die deutsche Wirtschaft
Im Herbst 2024 korrigiert die deutsche Bundesregierung ihre Erwartungen zum konjunkturellen Jahresverlauf – demnach rechnet das Bundeswirtschaftsministerium mit einem Rückgang der nationalen Wirtschaftsleistung von rund 0,2 Prozent. Die Situation der deutschen Volkswirtschaft bleibt weiterhin angespannt. Das BMWK begründet die schwache Konjunktur mit der schwierigen Wettbewerbsposition relevanter Branchen oder des demografischen Wandels. Auch die anhaltend schwache Nachfrage im In- und Ausland bleibt für eine Exportnation wie Deutschland ein Problem.In den Fokus rückte hier vor allem die Automobilindustrie. Relevante Unternehmen wie die Volkswagen AG haben ein Absatzproblem und suchen nach einem erfolgreichen Marktanschluss zur Elektromobilität. Aus Kostengründen strich die Bundesregierung zu Beginn des Jahres 2024 den Umweltbonus zum Kauf von E-Fahrzeugen, die Anzahl der Neuzulassungen brachen spürbar ein. Im Rahmen einer Umfrage aus dem September 2024 sprach sich jedoch eine Mehrheit gegen staatliche Hilfen für die Automobilindustrie aus. Die Bundesregierung plant mit der Verabschiedung eines Dynamisierungspakets die Wirtschaft anzukurbeln, indem durch Steuerentlastungen Investitionen gefördert werden sollen und Arbeitsanreize gesetzt werden sollen.
Russland-Ukraine-Krieg
Die deutsche Politik muss durch den Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, neue politische Wege gehen. Zunächst lehnte Deutschland die Forderung der Ukraine nach Waffenlieferungen ab und lieferte lediglich Helme an die Ukraine. Vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine stieß dies in der Bevölkerung auch auf große Zustimmung. In einer Sondersitzung des Bundestages am 27. Februar, wenige Tage nach der Invasion, verkündete Kanzler Scholz dann die 180-Grad-Wendung, welche nicht weniger als einem Paradigmenwechsel in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik gleichkam: Als Konsequenz aus den Angriffen auf die Ukraine versprach die Bundesregierung Waffenlieferungen aus den Beständen der Bundeswehr (siehe dazu eine Auflistung von bereits geliefertem Material). Auch in der Bevölkerung wandelte sich die Meinung zu Waffenlieferungen: Laut einer nach dem Angriff Russlands erhobenen Umfrage vom 01. März 2022 sahen 78 Prozent der Befragten aus Deutschland diese Waffenlieferungen als richtig an. Im Januar 2024 beurteilten rund 40 Prozent der in einer Umfrage Befragten die gegenwärtige Unterstützung der Ukraine mit Waffen als angemessen, rund 21 Prozent ging die Unterstützung hingegen nicht weit genug.Als Reaktion auf den Angriffskrieg Russlands beschlossen die westlichen Verbündeten und viele weitere Staaten rund um die Welt vielfältige Sanktionen gegen Russland. Die EU-Länder und weitere Verbündete zeigten sich einig wie selten zuvor und koordinierten sich bei der Verhängung der Sanktionen. Noch im Februar 2022 wurden über 1.000 Sanktionen erlassen, im Jahresverlauf kamen weitere Sanktionspakete hinzu. Viele der Sanktionen seit Kriegsausbruch wurden von der EU und den USA erlassen, aber auch weitere Länder verhängten Sanktionen.