Klimakrise in Europa: Hitzewellen und Dürren
Temperaturen in Europa erreichen immer neue Rekorde
In den letzten Jahren wurden immer wieder Temperaturrekorde gebrochen, auch in den Jahren 2022 und 2023 machten Extremwerte in Europa Schlagzeilen.- In Europa herrschten im Jahr 2023 die zweithöchsten Temperaturanomalien, welche der Kontinent mindestens seit Beginn der Wetteraufzeichnung erlebt hat. Weltweit war 2023 sogar das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnung, auch in Deutschland wurde 2023 zum bis dato heißesten Jahr.
- Darüber hinaus verzeichnete Europa 2022 seinen bislang heißesten Sommer. Auch mehrere Monate brachten es auf Rekordtemperaturen: Unter anderem war der August 2022 so warm wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen.
- Nicht nur die Durchschnittswerte kletterten in die Höhe. Außergewöhnliche Höchsttemperaturen plagten 2022 eine ganze Reihe europäischer Länder: Sowohl Mitte Juni als auch Mitte Juli kam es zu ausgeprägten Hitzewellen, die insbesondere in West-, Süd- und Zentraleuropa hunderte Millionen Menschen zu spüren bekamen.
- Inmitten dieser Hitzewellen wurden in gleich mehrere europäische Länder 2022 nationale Temperaturrekorde gebrochen. Unter anderem knackte das Vereinigte Königreich zum ersten Mal die 40 Grad-Marke, als im Juli in der Grafschaft Lincolnshire eine Maximaltemperatur von 40,3 Grad Celsius gemessen wurde.
- Das überdurchschnittlich warme Wetter in Europa setzte sich bis in den Winter 2022/23 fort und führte unter anderem zu einem extrem niedrigen Level an Schnee in den Alpen. Der Januar 2023 war der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und lag 3,5 Grad über dem langjährigen Klimamittel.
Hitze: das tödlichste Extremwetter in Europa
Insbesondere für ältere oder chronisch kranke Menschen werden die Sommer in Europa zunehmend zu einer gesundheitlichen Belastung. Verschiedene klimabeschreibende Parameter zeigen, dass sich sommerliche Hitzephasen in Europa häufen. So ist zum Beispiel in den letzten Jahrzehnten die Zahl der Tage mit einer hohen Hitzebelastung gestiegen: Im Jahr 1980 herrschte in der EU im Mittel an 11,7 Tagen hoher Hitzestress, im Jahr 2020 lag die Zahl bei 25,7 Tagen. Auch die Zahl der sehr warmen Nächte mit Mindesttemperaturen von 20 Grad Celsius (Tropennächte) hat auffällig zugenommen. In Zukunft wird sich diese Entwicklung weiter zuspitzen - wie sehr, das ist abhängig von den globalen Emissionsszenarien. Unter einem hohen Emissionsszenario könnte sich bis zum Ende des Jahrhunderts die Zahl der gefühlten Hitzewellen-Tage dramatisch erhöhen: zum Beispiel von zirka fünf auf sechzig Tage jährlich in Italien. Für einige südliche Regionen Deutschlands werden unter einem hohen Emissionsszenario bis zu dreißig gefühlte Hitzewellen-Tage pro Jahr prognostiziert.Eine einheitliche internationale Definition für eine Hitzewelle gibt es nicht. Allgemein versteht man darunter eine mehrtägige Periode mit für die Region ungewöhnlich hohen Temperaturen. Neben den Temperaturwerten benutzen viele Definitionen aber auch Parameter, welche die gesundheitlichen Konsequenzen der Hitze berücksichtigen, zum Beispiel die Luftfeuchte (Schwüle). Denn Extremtemperaturen stehen in einem engen Zusammenhang mit Übersterblichkeit, Wohlbefinden und Arbeitsproduktivität. Für die europäische Bevölkerung ist extreme Hitze heute die größte klimabedingte Bedrohung. Im Zeitraum 1980 bis 2020 gingen mehr als 80 Prozent aller Todesfälle, die wetter- oder klimabedingten Ereignissen zugrechnet werden, auf Hitzewellen zurück. Die bislang schwerwiegendste Hitzewelle in Europa ereignete sich 2003 und kostete nach Schätzungen der World Meteorological Organization mehr als 70.000 Menschenleben. Den beiden intensivsten Hitzewellen des Jahres 2022 fielen nach eher konservativen Schätzungen um die 20.000 Menschen zum Opfer, was sie zu dem weltweit tödlichsten Naturereignis des Jahres 2022 machte.
Dürren und Trockenheit: Geht Europa das Wasser aus?
Hitzewellen gehen oft Hand in Hand mit Dürren. Dürren sind relativ schwer zu fassende Naturkatastrophen. Sie setzen schleichend ein, können großräumig auftreten und über Jahre anhalten. In Europa haben die überdurchschnittlich hohen Temperaturen (größere Verdunstung) der letzten Jahren in Kombination mit in vielen Regionen unterdurchschnittlichen Niederschlägen zu einer historisch beispielslosen Dürreperiode geführt. Diese wird zum Beispiel sichtbar in den Daten des Copernicus Climate Change Service, die zeigen, dass die Jahre mit niedriger Bodenfeuchte seit 1980 deutlich zugenommen haben. Insbesondere ab 2018 sind dann in vielen Gegenden - auch in Deutschland - die Böden in große Tiefen hinein ausgetrocknet. Eine Folge war, dass Niederschlag nicht mehr bis zum Grundwasser durchlaufen konnte, so dass die Grundwasserstände stagnierten oder fielen. Flüsse wie der Rhein, der sich teilweise über Grundwasser speist, hatten in den Sommermonaten mit sinkenden Pegelständen zu kämpfen. Weil sich ausgetrocknete Böden nur langsam normalisieren, waren auch nach dem regenreichen Sommer 2021 viele Regionen in Europa von extremer Dürre gekennzeichnet. Nach dem heißen und trockenen Sommer 2022 war auch der Winter 2022/23 zu warm. In machen Gegenden Spaniens, Frankreichs und Italiens fiel außerdem über Monate kein Niederschlag. Diese Regionen hatten bereits im Frühjahr 2023 mit ungewöhnlich großer Trockenheit zu kämpfen.Auf Grund des Klimawandels werden die Risiken für Dürren und sinkende Wasserreserven in Europa in Zukunft weiter zunehmen. Das liegt zum einen an den steigenden Temperaturen, durch die es schon bei gleichbleibenden Niederschlägen zu mehr Trockenheit kommt. Aktuelle Forschungsarbeiten betonen, dass in der derzeitigen Dürre - anders als in vergangenen Dürren -extreme Temperaturen eine entscheidende Rolle spielen. Zum anderen verschieben sich aber durch den Klimawandel auch die Niederschlagsmuster. Gesicherte Daten für den Niederschlag in Europa reichen bis 1960 zurück. Seit diesem Datum zeigen die jährlichen Niederschläge über Europa insgesamt keinen klaren Trend. Allerdings wurden in einzelnen Großregionen signifikante Änderungen beobachtet: Insgesamt hat die Niederschlagsmenge in Nordeuropa seit 1960 deutlich zugenommen und in Südeuropa deutlich abgenommen, während sie in Mitteleuropa relativ stabil geblieben ist.
Für die Zeit bis 2100 gehen Klimamodellsimulationen grundsätzlich von einer Fortsetzung dieser Trends aus: Während in Nordeuropa die Niederschlagsmengen zunehmen, wird es in Südeuropa also noch trockener werden. Die Stärke der Änderung hängt dabei vom zugrunde liegenden Treibhausgas-Szenario ab. Auf jeden Fall müssen sich Spanien, Frankreich und der Mittelmeerraum auf extreme Dürreperioden einstellen. In diesen Ländern wird ein großer Teil der Bevölkerung mit hoher Wasserknappheit leben müssen, was die von Landwirtschaft und Tourismus abhängigen Wirtschaftssysteme bedroht. Insbesondere Spanien gilt als das EU-Land, das vermutlich am stärksten unter der Klimakrise leiden und zu einem großen Teil ausdörren wird.
Deutlich komplizierter sind die Vorhersagen für Mitteleuropa. Tendenziell wird erwartet, dass sich der Unterschied zwischen dem Winter- und Sommerhalbjahr verstärken wird. Für Deutschland ist dieses Muster bereits zu beobachten: Während die Winter eher nasser werden, bleibt der Regen im Sommer häufiger aus. Unter diesem Szenario wird Mitteleuropa zwar eine wasserreiche Region ohne dauerhaften Wasserstress bleiben, allerdings werden längere Phasen extremer Trockenheit Anpassungsmaßnahmen erforderlich machen.
Gerade für Mitteleuropa sind die Modellrechnungen allerdings mit großer Unsicherheit behaftet. Auffällig bleibt, dass etwa in Deutschland die Jahre 2018 bis 2020 sowie das Jahr 2022 in ihrer Trockenheit extrem waren. Vor allem die Frühlingsmonate waren in dieser Zeit durch geringe Niederschläge gekennzeichnet. Es gibt zwar keine Belege dafür, dass der fehlende Regen mit dem Klimawandel zusammenhängen. Laut Modellrechnungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ist diese Trockenphase aber zumindest noch nicht vorüber. Nach den mittelfristigen DWD-Prognosen zur Niederschlagsentwicklung in Deutschland könnten die Jahre bis 2030 deutlich niederschlagsärmer sein als im langjährigen Mittel.
Volkswirtschaftliche Kosten von Hitze und Dürren
Hitze und Trockenheit können weitreichende Folgen für die Lebensmittelproduktion, die Energieversorgung, die Industrie und die Transportwege eines Landes haben. Nach einem Ranking des Versicherungsunternehmens Aon waren die europäischen Hitzewellen und Dürren 2022 nicht nur extrem tödlich, sondern auch weltweit das zweitteuerste wetterbedingte Naturereignis in diesem Jahr. Auch die Daten der EU zu extremen Klimaereignissen zeigen über die Jahre einen Trend zu steigenden Schadenssummen. Insgesamt sind zwischen 2000 und 2021 durch Extremereignisse wie Stürme, Hitze, Dürren und die Flutkatastrophe 2021 Schadenskosten in Höhe von mindestens 364 Milliarden Euro entstanden. Und das ist erst der Anfang: Laut einer aktuellen Szenarioanalyse könnten bei einem ungebremsten Klimawandel alleine in Deutschland die summierten Folgekosten der Klimakrise bis 2050 bei bis zu 920 Milliarden Euro liegen.Betroffen von den "stillen" Wetterextremen Hitze und Dürre sind unter anderem:
- die Landwirtschaft. Extremtemperaturen und Trockenheit können die Produktion regelrecht zusammenbrechen lassen. Eine Folge sind zum Beispiel steigende Lebensmittelpreise für Obst, Gemüse oder Olivenöl.
- die Arbeitsleistung. Extreme Hitze beeinträchtigt die Arbeitsfähigkeit, führt zu einer geringeren Produktivität und damit zu einer geringeren Wirtschaftsleistung.
- die Energieversorgung. Im Hitzesommer 2022 mussten an vielen Orten Kohle- und Atomkraftwerke ihrer Leistung drosseln, weil es an Kühlwasser mangelte.
- die Schifffahrt und die Industrie. Während der trockenen Sommer der letzten Jahre sanken immer wieder die Pegel von Flüssen wie Rhein und Elbe, so dass Binnenschiffe über Wochen nur eingeschränkt fahren konnten. Das führte zum Beispiel dazu, dass am Rhein Raffinerien und Chemiewerke ihre Produktion reduzieren mussten.
Waldbrände werden ein immer größeres Problem
Hitze und Trockenheit sind nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Umwelt und die Ökosysteme in Europa verheerend. In Deutschland befinden sich die Wälder schon seit Jahren im extremen Klimastress. Die Kombination aus hohen Temperaturen und anhaltender Trockenheit begünstigt außerdem die Entstehung und Ausbreitung von Flächenbränden. Das Hitzejahr 2022 wurde so auch zum Jahr der Waldbrände: In diesem Jahr zerstörte Feuer mehr europäischen Wald als je zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2006. Bis zum Ende des Jahres 2022 stieg die verbrannte Fläche auf über 785.000 Hektar. Dies ist mehr als zweimal so viel wie der Durchschnitt der letzten Jahre.Ein Rekordjahr war 2022 nicht nur mit Blick auf Waldbrände, sondern auch beim Verlust von Gletschermasse. Die Alpen verzeichneten in diesem Jahr so wenig Gletschereis wie noch nie zuvor. Allein die Schweizer Gletscher büßten 2022 mehr als sechs Prozent ihrer Eismasse ein.
La Niña, El Niño und Rekordtemperaturen im Atlantik
Klimaexperten gehen davon aus, dass in Europa in den nächsten Jahren weitere Temperaturrekorde gebrochen werden. Grund dafür ist nicht nur der Klimawandel, sondern auch das wiederkehrende Klimaphänomen El Niño. Dieses taucht alle paar Jahre auf und sorgt für besonders heiße Temperaturen. 2016, das Jahr mit der global höchsten Durchschnittstemperatur seit der Industrialisierung, war ein El Niño-Jahr. In den Jahren 2020 bis 2022 wurde die globale Erderwärmung dagegen von La Niña abgeschwächt. Inzwischen mehren sich die Anzeichen für einen El Niño-Umschwung.Neben El Niño und dem Klimawandel dürften die ungewöhnlich hohen Temperaturen im nördlichen Atlantik dafür sorgen, dass es im Sommer in Mitteleuropa ungemütlich wird. Die US-amerikanische National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) dokumentierte zuletzt einen für Meereswasser extremen Anstieg der Ozeantemperaturen im Nordatlantik. Während unter Experten Unklarheit über die Ursachen herrscht, gilt es als sehr wahrscheinlich, dass das warme Atlantikwasser Mitteleuropa Sommerhitze und Starkregen bescheren wird.