Statistiken zur europäischen Asyl- und Flüchtlingspolitik
Menschen auf der Flucht in der EU: Die wichtigsten Daten auf einen Blick
- Anzahl der Erstanträge auf Asyl 2023: 1.049.020
- EU-Land mit den meisten Asylbewerbern 2023: Deutschland
- EU-Land mit den meisten Asylbewerbern je Einwohner 2023: Zypern
- Häufigste Staatsangehörigkeit bei Erstanträgen 2023: Syrien
- Staatsangehörigkeit mit der höchsten Anerkennungsquote: Syrische Staatsangehörigkeit
Internationaler Kontext der europäischen Asyl- und Flüchtlingspolitik
Der Aufbau eines europäischen Grenzregimes vollzieht sich in einer Zeit, in der immer mehr Menschen ihre Heimat verlassen: Die Zahl der Flüchtenden, Asylsuchenden und Vertriebenen hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Ende 2023 war die Rekordzahl von 118 Millionen Menschen auf der Flucht.Einer der Gründe für den starken Anstieg bei den Flüchtlingszahlen ist der Krieg in der Ukraine, der Millionen Menschen zu Vertriebenen machte. Ein entscheidender Teil der Fluchtbewegungen spielt sich allerdings nach wie vor im globalen Süden und nicht in Europa ab. So waren Ende 2023 der Iran, die Türkei und Kolumbien die Länder, in denen die meisten internationalen Flüchtlinge lebten - gefolgt von Deutschland auf Platz vier. In der Türkei kamen Ende 2022 rund 4,5 Geflüchtete auf 100 Einwohner. Der globale Süden - und hier insbesondere das südliche Afrika - war 2023 auch entscheidend mit Blick auf Binnenvertreibung.
"Europäische Flüchtlingskrise"
Auch wenn global betrachtet Europa nur einer von vielen Schauplätzen im internationalen Flüchtlingsdrama ist, wurde das Thema "Flucht" in den letzten Jahren für die Europäische Union zu einer der größten politischen und humanitären Herausforderungen. Die Ankunft von mehr als einer Million irregulärer Migranten in Südeuropa in den Jahren 2015/16 löste die "Europäische Flüchtlingskrise" aus: Die Zahl der Asylanträge in der EU hatte 2014 bereits bei 531.000 gelegen (ohne Vereinigtes Königreich); im Jahr 2015 verdoppelte sie sich beinahe auf 1,22 Millionen und lag 2016 noch immer bei rund 1,17 Millionen. Damit kamen 2015 und 2016 mehr Asylsuchende in die EU als jemals zuvor.Im Jahr 2014 waren die meisten Flüchtlinge noch über die zentrale Mittelmeerroute nach Europa gelangt (d.h. von Nordafrika nach Italien). Im Jahr 2015 änderten sich die Migrationsmuster: Ein großer Teil der Menschen benutzte nun die östliche Mittelmeerroute (von der Türkei nach Griechenland). Im Rekordjahr 2015 kamen rund 857.000 Migranten über diese Route in die EU. Von Griechenland aus wählten viele Migranten dann die so genannte Balkanroute, um über den Landweg weiter nach Nordeuropa zu gelangen. 2015 überquerten laut Frontex 764.038 Menschen via dem westlichen Balkan EU-Grenzen. Dies führte zu teilweise katastrophalen Szenen an den Außen- und Binnengrenzen der Schengen-Zone und in den Transitländern (z.B. Mazedonien und Serbien). In der Nacht vom 4. zum 5. September 2015 entschied die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel, die über die Balkanroute kommenden und in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge aufzunehmen.
Einer der Hauptgründe für die Flüchtlingskrise war der Krieg in Syrien. Viele der Geflüchteten erlebten aber nicht nur vor, sondern auch während ihrer Flucht Schreckliches. Deutlich macht dies die Ziffer der im Mittelmeer ertrunkenen Menschen. Weil es so schwierig ist, Europas Grenzen auf dem Landweg zu überwinden, wählten und wählen auch heute noch viele Flüchtlinge den gefährlichen Seeweg: Allein in den Jahren 2015/16 ertranken geschätzt 9.197 Menschen im Mittelmeer.
Entwicklung der Flüchtlingszahlen 2016-2024
Im Jahr 2016 stellten in der EU insgesamt rund 1,17 Millionen Menschen einen Erstantrag auf Asyl, im Jahr 2019 waren es nur noch 631.000. Im Jahr 2020 sank, auch auf Grund der Corona-Pandemie, die Zahl weiter. Seit dem Jahr 2021 gibt es allerdings einen erneuten Anstieg der Antragszahlen, auch für das Jahr 2024 zeichnet sich ein anhaltend hohes Niveau bei der Zahl der Asylanträge ab. Noch immer ist dabei Syrien ein wichtiges Herkunftsland von Asylbewerbern in der EU. Zuletzt ist aber auch die Zahl der Anträge von geflüchteten Menschen aus weiteren Staaten gestiegen, unter anderem aus der Ukraine, aus Venezuela und der Türkei.Trotz der insgesamt zurückgegangenen Zahlen bleibt der Weg über das Mittelmeer die tödlichste Flüchtlingsroute der Welt. Im Jahr 2023 ertranken mehr als 3.150 Menschen im Mittelmeer. Im selben Jahr wurden außerdem über 1.800 Todesfälle auf den Migrationsrouten in afrikanischen Transitländern dokumentiert.
Auch die Frequenz der verschiedenen Flüchtlingsrouten hat sich seit 2017 geändert. Während die Schließung der Balkanroute, das EU-Türkei-Abkommen und andere Maßnahmen an vielen Orten zu einem Rückgang der Zahlen geführt haben, kamen in den letzten Jahren vermehrt Menschen über die westliche Mittelmeerroute nach Spanien. Zu einem neuen Flüchtlingshotspot entwickeln sich aktuell außerdem die Kanaren. Mit der Zahl der Flüchtlinge, die sich von Westafrika aus auf den Weg in Richtung der spanischen Inseln machen, wächst auch die Todeszahl auf dieser extrem gefährlichen Flüchtlingsroute.
Europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik seit 2015
1. Grenzsicherung
Eine große Bandbreite an EU-Maßnahmen zielt insbesondere darauf ab, die EU-Außengrenzen undurchlässiger zu machen und die Zahl der neu ankommenden Schutzsuchenden dadurch dauerhaft zu reduzieren. Dazu gehören:- Das Abkommen zwischen der EU und der Türkei vom 18. März 2016: Die Türkei verpflichtete sich durch dieses zu strengeren Kontrollen ihrer See- und Landgrenzen. Tatsächlich sank die Zahl der in Griechenland ankommenden Bootsflüchtlinge nach der Verabschiedung des Abkommens. Die Türkei hat außerdem zugesagt, illegal nach Griechenland . Im Gegenzug versprachen die EU-Staaten, einen Teil der in der Türkei festsitzenden Flüchtlinge in der EU aufzunehmen. Dieser Teil des Abkommens gilt als gescheitert. Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Vereinbarung mit der Türkei, da diese die Rechte von Flüchtlingen verletze.
- Die Aufwertung und Aufrüstung von Frontex: Frontex ist die europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache. Sie war ursprünglich als Koordinierungsstelle für die Grenzpolizeien der EU-Mitgliedstaaten gedacht, hat inzwischen aber zunehmend operative Funktionen übernommen. Im September 2018 legte die EU-Kommission einen Reformplan vor, dessen Eckpfeiler eine ständige Reserve von 10.000 Grenzschutzbeamten für Frontex ist. Darüber hinaus verfügt die Agentur seitdem über ein stärkeres Mandat für Abschiebungen und kann enger mit Drittstaaten zusammenarbeiten. Die neue ständige Reserve wird voraussichtlich bis 2027 ihre volle Kapazität von 10.000 Beamten erreicht haben. Der Ausbau von Frontex hat viel Kritik von Menschenrechtsorganisationen hervorgebracht. Bereits im Jahr 2014 hatte das EU-Parlament daher strengere Regeln für die Grenzschutzagentur beschlossen. Seitdem dürfen Flüchtlingsboote von Frontex nicht mehr abgedrängt und zur Rückkehr gezwungen werden. Nach Medienberichten kommt es dennoch immer wieder zu solchen illegalen Pushback-Aktionen.
2. Externe Migrationspolitik
Die EU kooperiert außerdem immer häufiger mit außereuropäischen Ländern, um die eigenen Grenzen zu schützen. Maßnahmen, die unter den Begriff der externen Migrationspolitik fallen, sind:- Abkommen mit Herkunftsländern von Flüchtlingen, welche Abschiebungen erleichtern sollen: Die EU hat hier in den letzten Jahren verstärkt Verhandlungen vor allem mit afrikanischen Staaten geführt. Allerdings bleibt die Kooperation mit vielen Entwicklungsländern schwierig. Für die Bevölkerung dieser Länder ist Migration eine wichtige Einkommensquelle, weshalb es für Regierungen innenpolitisch problematisch ist, den Kurs der EU zu unterstützen. Nach wie vor bleibt das Abschieben abgelehnter Asylbewerber und anderer Migranten ohne Aufenthaltserlaubnis für die EU daher eine große Schwierigkeit. Die Mitgliedstaaten der EU forderten 2023 rund 484.000 Menschen dazu auf, ihr Staatsgebiet zu verlassen. Im gleichen Jahr kamen etwa 91.500 Personen einer solchen Aufforderung nach oder wurden abgeschoben. Um diese schlechte "Rückführungsquote" zu ändern, knüpft die EU zunehmend Bedingungen in Bezug auf Abschiebungen an andere Zusagen. Das gilt insbesondere für den Bereich der Entwicklungshilfe.
- Finanzielle Unterstützung bei der Schließung von Migrationsrouten: Die EU lässt Geld in Regionen fließen, in denen Migranten schon lange vor den Grenzen der EU gestoppt werden können. Der Wüstenstaat Niger, ein wichtiges Transitland für Westafrikaner auf dem Weg nach Norden, hatte etwa seit 2015 die Migrationsroute Richtung Europa weitgehend geschlossen gehalten. Inzwischen orientiert sich die nigerianische Militärregierung an neuen Partnern wie Russland und China und hat die zentrale Migrationsroute zur Mittelmeerküste wieder geöffnet.