Struktur des deutschen Textileinzelhandels
Um dieses Marktvolumen ringen klassische Fachhändler und Ketten, der Versandhandel, Kauf- und Warenhäuser sowie gänzlich branchenfremde Anbieter wie der Lebensmitteleinzelhandel. Die Otto Group aus Hamburg ist der größte Textileinzelhändler Deutschlands. Nach dem Versandhaus folgen die Ketten H&M und C&A auf den Plätzen. Als wertvollste Modemarken weltweit gelten derzeit Nike, Zara (Inditex) und adidas.Der Facheinzelhandel mit überwiegend Bekleidung kam im Jahr 2019 laut Umsatzsteuerstatistik in Deutschland auf einen Umsatz von netto rund 32,1 Milliarden Euro. Die Branche beschäftigte in diesem Zeitraum mehr als 340.000 Mitarbeiter:innen. Der Großteil davon sind Frauen, die vorwiegend in Teilzeit beschäftigt sind.
Im Mix der Vertriebskanäle behauptet sich der Fachhandel (inkl. Ketten, die überwiegend Bekleidung verkaufen) bisher wacker mit einem Marktanteil von knapp 40 Prozent. Der Grund hierfür ist allerdings vor allem in der schwindenden Bedeutung von Kauf- und Warenhäusern zu suchen. Ihr Anteil am Textil- und Bekleidungsumsatz sank von fast zwölf Prozent im Jahr 2007 auf rund 6,5 Prozent im Jahr 2020. Der vor allem auf preisbewusste Konsument:innen zugeschnittene Textilbereich des Lebensmitteleinzelhandels konnte zudem klar in der Corona-Phase profitieren.
Die Herkunft der Textilien und die globale Textilindustrie
Deutschland ist ein Nettoimporteur von Textilien und Bekleidung. Die Produktion der heimischen Textil- und Bekleidungsindustrie deckt nur einen relativ kleinen Teil der Nachfrage. Der Großteil kommt heute aus Niedriglohnländern vor allem in Asien. China, Bangladesch und die Türkei waren im Jahr 2020 die wichtigsten Herkunftsländer für den deutschen Bekleidungsmarkt. Technologische Entwicklungen begünstigen jedoch eine Rückverlagerung der Produktionsstandorte bis zum Jahr 2025 nach Europa.Katastrophen wie der Fabrikeinsturz in Dhaka in Bangladesch, bei dem im April 2013 über 1.000 Menschen ums Leben kamen, werfen regelmäßig Fragen nach verbindlichen Sozialstandards in der Textilherstellung auf. Lange nur ein Nischenmarkt, kommt in den letzten Jahren deutlich Bewegung in das Thema ethischer Modekonsum - Fair Fashion. Der Absatz von Textilien mit Fair-Trade-Siegel nahm in den vergangenen Jahren tendenziell zu.
Strukturwandel im deutschen Textileinzelhandel
Der Textileinzelhandel in Deutschland ist von einem anhaltenden Konzentrationsprozess geprägt. Unternehmen mit einem Jahreserlös von mehr als 100 Millionen Euro können immer größere Marktanteile auf sich vereinen. Die wachsende Dominanz der Ketten lässt sich auch an der abnehmenden Anzahl der Unternehmen einerseits und der Anzahl der Geschäfte (bzw. örtlichen Einheiten) andererseits ablesen.Veränderungen im Einzelhandel durch Vertikalisierung und E-Commerce
Vertikalisierung ist ein weiterer Trend, der die Branche umtreibt und den klassischen, intermediären Fachhandel bedroht. Internationale Ketten wie H&M, Esprit, Zara und Primark, die die komplette Wertschöpfungskette einschließlich der Fertigung kontrollieren, geben den Takt im Bekleidungseinzelhandel vor. Zudem drängen mehr und mehr Hersteller in den Einzelhandel, eröffnen eigene Geschäfte oder erwerben Konzessionsflächen in Partnerläden.Doch trotz aller Herausforderungen, die mit dem Wechsel der Wertschöpfungsstufe verbunden sind, ist der Schritt mit handfesten Vorteilen verbunden: Flagship-Stores wie die Geschäfte von Adidas dienen einerseits als Marketinginstrument, in denen die eigene Marke in einem hermetischen Umfeld inszeniert werden kann. Andererseits liefert die direkte Tuchfühlung mit dem Verbraucher wertvolles Feedback, eine relevante Ressource in Zeiten immer schnellerer Taktfrequenzen und Sortimentswechsel. Als Branchenbenchmark im „Fast Fashion“-Bereich gilt die zum spanischen Inditex-Konzern gehörende Kette Zara, die ihr Verkaufspersonal als Aushilfs-Marktforscher:innen einsetzt und durch enge Verzahnung dieses Inputs mit Designabteilung und Herstellung innerhalb von zwei bis drei Wochen auf geänderte Vorlieben der Kund:innen reagieren kann.
Eine weitere starke Verschiebung der Marktgleichgewichte zeichnet sich in der steigenden Bedeutung des Versand- und Onlinehandels ab. Dessen Umsatzanteil lag laut Schätzungen des BTE im Corona-Jahr 2020 bereits bei mehr als einem Viertel. Der Bundesverband des deutschen Versandhandels (BVH) schätzt den Umsatz mit Bekleidung im interaktiven Handel (klassischer Katalogversand und Online) für das Jahr 2020 auf rund 16,3 Milliarden Euro.
Der E-Commerce ist der Treiber dieser Entwicklung. Davon konnten bis jetzt in erster Linie die vertikalen Anbieter, die ihr Angebot einfach auf das Internet ausweiteten, profitieren sowie große Onlineanbieter, wie Zalando.