Textil- und Bekleidungseinzelhandel: Situation in Deutschland
Struktur des deutschen Textileinzelhandels
Um dieses Marktvolumen ringen klassische Fachhändler und Ketten, der Versandhandel, Kauf- und Warenhäuser sowie gänzlich branchenfremde Anbieter wie der Lebensmitteleinzelhandel. Die Otto Group aus Hamburg ist aktuell der größte Textileinzelhändler Deutschlands. Nach dem Versandhaus folgen der Online-Versandhändler Zalando sowie die Bekleidungskette H&M auf den Plätzen zwei und drei. Der Facheinzelhandel mit Bekleidung kam im Jahr 2021 laut Umsatzsteuerstatistik in Deutschland auf einen Umsatz von netto rund 25,9 Milliarden Euro. Die Branche beschäftigte in diesem Zeitraum rund 294.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - Tendenz in den letzten Jahren fallend. Und auch die Anzahl der Unternehmen in dieser Einzelhandelsbranche schrumpft von Jahr zu Jahr, zuletzt auf nur noch rund 12.700 im Jahr 2021. Im Mix der Vertriebskanäle behauptet sich der Fachhandel (inkl. Ketten, die überwiegend Bekleidung verkaufen) bisher wacker mit einem Marktanteil von knapp 44 Prozent. Der Grund hierfür ist allerdings vor allem in der schwindenden Bedeutung von Kauf- und Warenhäusern zu suchen. Ihr Anteil am Textil- und Bekleidungsumsatz sank von fast zwölf Prozent im Jahr 2007 auf rund sechs Prozent im Jahr 2022. Der vor allem auf preisbewusste Konsument:innen zugeschnittene Textilbereich des Lebensmitteleinzelhandels konnte zudem klar in der Corona-Phase profitieren.Die Herkunft der Textilien und die globale Textilindustrie
Deutschland ist ein Nettoimporteur von Textilien und Bekleidung. Die Produktion der heimischen Textil- und Bekleidungsindustrie deckt nur einen relativ kleinen Teil der Nachfrage. Der Großteil kommt heute aus Niedriglohnländern vor allem in Asien. China, Bangladesch und die Türkei waren im Jahr 2022 die wichtigsten Herkunftsländer für den deutschen Bekleidungsmarkt. Technologische Entwicklungen begünstigen jedoch eine Rückverlagerung der Produktionsstandorte nach Europa in den nächsten Jahren. Auch Katastrophen wie der Fabrikeinsturz in Dhaka in Bangladesch, bei dem im April 2013 über 1.000 Menschen ums Leben kamen, sowie das wachsende Nachhaltigkeitsbewusstsein der Konsument:innen werfen regelmäßig Fragen nach verbindlichen Sozialstandards in der Textilherstellung auf. Lange nur ein Nischenmarkt, kommt in den letzten Jahren deutlich Bewegung in das Thema ethischer Modekonsum - Fair Fashion.Veränderungen im Einzelhandel durch Vertikalisierung und E-Commerce
Vertikalisierung ist ein weiterer Trend, der die Branche umtreibt und den klassischen, intermediären Fachhandel bedroht. Internationale Ketten wie H&M, Esprit, Zara und Primark, die die komplette Wertschöpfungskette einschließlich der Fertigung kontrollieren, geben den Takt im Bekleidungseinzelhandel vor. Doch trotz aller Herausforderungen, die mit dem Wechsel der Wertschöpfungsstufe verbunden sind, ist der Schritt mit handfesten Vorteilen für di Händler verbunden: Flagship-Stores wie die Geschäfte von Adidas dienen einerseits als Marketinginstrument, in denen die eigene Marke in einem hermetischen Umfeld inszeniert werden kann. Andererseits liefert die direkte Tuchfühlung mit den Verbraucher:innen wertvolles Feedback, eine relevante Ressource in Zeiten immer schnellerer Taktfrequenzen und Sortimentswechsel. Als Branchenbenchmark im Fast Fashion-Bereich und weltweit führender Konzern in diesem Bereich gilt die zum spanischen Inditex-Konzern gehörende Kette Zara, die ihr Verkaufspersonal als Aushilfs-Marktforscher:innen einsetzt und durch enge Verzahnung dieses Inputs mit Designabteilung und Herstellung innerhalb weniger Wochen auf geänderte Vorlieben der Kund:innen reagieren kann.Eine weitere starke Verschiebung der Marktgleichgewichte zeichnet sich in der steigenden Bedeutung des Versand- und Onlinehandels ab. Dieser erreichte im Corona-Jahr 2021 einen Rekordwert von rund einem Drittel der gesamten in Deutschland erzielten Umsätze mit Textilien und Bekleidung. Im Jahr 2022 fiel er leicht aber immerhin auf einen Umsatzanteil von 29 Prozent und damit weit höher als vor der Pandemie zurück. Der E-Commerce ist der Treiber dieser Entwicklung. Davon konnten bis jetzt in erster Linie die vertikalen Anbieter, die ihr Angebot einfach auf das Internet ausweiteten, profitieren sowie große Onlineanbieter, wie Zalando. Um sich des Zangenangriffs durch vertikale Anbieter von der einen und Internetversender von der anderen Seite zur Wehr zu setzen, ist von stationären Fachhändlern Kreativität gefragt. Das Stichwort Omnichannelhandel, d. h. die Umsetzung einer plattformübergreifenden Strategie bezüglich aller Vertriebskanäle, fällt oft in diesem Zusammenhang und wird im deutschen Einzelhandel mehr und mehr ein Thema.