Nachhaltigkeit im Schweizer E-Commerce
Wunsch der Kundschaft vs. Angebot des Handels
Viele Schweizer:innen finden Informationen zur Herkunft oder zur Nachhaltigkeit von Produkten beim Online-Shopping wichtig. Doch obwohl zahlreiche Online-Shops das Thema Nachhaltigkeit zumindest auf ihrer Startseite erwähnen, gibt nur eine Minderheit von ihnen konkrete Ziele bekannt und noch weniger veröffentlichen einen eigenen Nachhaltigkeitsbericht. Zudem würden laut einer Umfrage aus dem Jahr 2022 rund 62 Prozent der Schweizer Online-Einkäufer:innen bei der Produktsuche zumindest wahrscheinlich Nachhaltigkeits-Filter verwenden, trotzdem wurde diese Option 2021 nur von 13 Prozent der Online-Shops angeboten. Auch bei den aktuell wichtigsten Themen im E-Commerce werden Wachstum und Prozessautomatisierung bzw. -optimierung weitaus häufiger von Online-Shops genannt als ökologische bzw. soziale Aspekte. Ähnlich sieht es bei der Möglichkeit von CO₂-Kompensationen aus, einer freiwilligen Ausgleichszahlung, mit der an anderer Stelle Projekte zur Minderung von Treibhausgasen finanziert werden. Rund ein Drittel der 2020 befragten Schweizer:innen wünschte sich diese klimaneutrale Option für ihren Internet-Einkauf. Bei den unter 30-Jährigen ist es sogar jede:r Zweite. Doch nur etwa zwölf Prozent der Händler boten 2022 diesen Service beim Checkout an.Mehr Nachhaltigkeit, aber bitte nicht zu höheren Preisen und längeren Wartezeiten!
Aber auch die Kundschaft zeigt sich verhalten, wenn es darum geht für grüneres Online-Shopping Kompromisse in Kauf zu nehmen. Dies lässt sich unter anderem am Beispiel der Versandoptionen zeigen. Bei einer Befragung im Jahr 2022 gaben zwar 60 Prozent der Teilnehmenden an, dass ihnen nachhaltige Versandoptionen wichtig sind. Eine Möglichkeit ist hierbei die Zustellung des Online-Einkaufs per Elektroauto oder Lastenfahrrad auf der sogenannten „letzten Meile“, dem letzten Wegstück bis zur Haustür der Kund:innen. Doch solche nachhaltigeren Lieferoptionen können unter Umständen mehr Zeit in Anspruch nehmen. Stellt man die Verbraucher:innen vor die Wahl zwischen einer schnellen oder einer umweltfreundlichen Zustellung, bevorzugten laut Befragung aus dem Jahr 2021 etwa 41 Prozent eine schnellere Lieferung. Nur ein Viertel wäre bereit, zum Wohl der Umwelt länger auf den Online-Kauf zu warten. Außerdem ist die Mehrheit nicht bereit, für eine nachhaltigere Zustellung tiefer in die Tasche zu greifen. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2022 würden 54 Prozent der Befragten diese Option nur nutzen, wenn sie nicht mit Mehrkosten verbunden ist. Lediglich ein Viertel wäre bereit, eine Extra-Gebühr zu zahlen.Das Dilemma mit der Gratis-Retoure
Ein großes Problem für die Nachhaltigkeit im Online-Handel sind Retouren. Entspricht die bestellte Ware nicht den Ansprüchen des oder der Kund:in, wird sie wieder zurückgeschickt. Besonders Kleidung wird oftmals in verschiedenen Größen bestellt, obwohl im Voraus klar ist, dass nur maximal eine Version behalten wird. Parallel zum Anstieg der versendeten Pakete ist in den letzten Jahren auch die Anzahl der Retouren gestiegen. Durch den Rückversand und -transport entstehen neuer Verpackungsmüll und zusätzliche CO2-Emissionen. Ein weiteres Problem ist, dass retournierte Produkte zum Teil vernichtet werden, weil sie beschädigt oder verunreinigt und damit für den Weiterverkauf ungeeignet sind.Eine Stellschraube, um Rücksendungen zu reduzieren ist das Erheben einer Retouren-Gebühr. Zahlt man als Käufer:in für die Rücksendung, überlegt man sich genauer, was man wirklich bestellt, um sich unnötigen Kosten für die Rückgabe einzusparen. Doch obwohl Retouren für Online-Händler ein hoher Kostentreiber sind, fühlen sich viele von ihnen unter Druck gesetzt, diese für die Kund:innen kostenlos anzubieten. Immerhin gilt die Gratis-Retoure als eines der wichtigsten Auswahlkriterien bei der Wahl zwischen verschiedenen Online-Shops. So boten 2022 beispielsweise 46 Prozent der Schweizer Online-Shops im Bereich Mode eine Gratis-Retoure an. Viel häufiger versuchen Schweizer Online-Händler, Retouren zu reduzieren, in dem sie stattdessen online verbesserte Produktinformationen bereitstellen, in der Hoffnung, dass so Fehlkäufe verringert werden können.