Massentourismus - Welche positiven und negativen Effekte hat der Overtourism?
Weltweite Zunahme des Reiseverkehrs
Laut einer Prognose werden die Passagierzahlen im weltweiten Flugverkehr von rund zwei Milliarden Passagieren im Jahr 2021 auf mehr als zehn Milliarden im Jahr 2050 steigen. Doch bereits heute ist der internationale Flugverkehr stark ausgelastet: In Europa lag die Passagierauslastung im internationalen Flugverkehr zuletzt bei rund 85 Prozent – damit war sie im internationalen Vergleich am höchsten. Die Zunahme des internationalen Reiseverkehrs bedeutet vor allem für die Umwelt eine starke Belastung. Im Vergleich der Verkehrsmittel verantworten Flugzeuge die mit Abstand höchsten CO₂-Emissionen.Doch nicht nur die Luftfahrt gilt als klimaschädlich, auch die Kreuzfahrtindustrie trägt maßgeblich zu den Treibhausgasemissionen weltweit bei. Insbesondere in nachfragestarken Zielgebieten haben Destinationen mit den Folgen des Kreuzfahrttourismus zu kämpfen. Mit mehr als neun Millionen Passagieren im Jahr 2022 war das Gebiet „Karibik, Bahamas und Bermuda“ das mit Abstand beliebteste Fahrtgebiet für Hochseekreuzfahrten weltweit, gefolgt von dem zentralen und westlichen Mittelmeer. In diesem liegen auch die Tourismusmetropolen Barcelona und Venedig, welche in Europa besonders stark vom Massentourismus betroffen sind.
Venedig und Barcelona regulieren den Tourismus vor Ort
Mit einem Passagieraufkommen von 2,3 Millionen war der Hafen von Barcelona der wichtigste Hafen der Kreuzfahrtindustrie im Mittelmeer im Jahr 2022. Im selben Jahr zählten die Hotels der spanischen Metropole fast sieben Millionen Hotelgäste. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie lag die Anzahl der Hotelgäste in Barcelona noch bei fast 9,5 Millionen. Das erhöhte Tourismusaufkommen der Stadt führte insbesondere in den Jahren vor der Pandemie zu Protesten seitens der Einheimischen: Im Jahr 2017 nahm 15,6 Prozent der Bevölkerung in Barcelona den Tourismus als Hauptproblem ihrer Stadt wahr. Vor allem in den Sommermonaten wird die Stadt zum Tourismus-Hotspot. Mittlerweile versucht die Regierung der Stadt mit einer Regulation der Übernachtungsmöglichkeiten gegen die Tourismusmassen vorzugehen. So wurden die neu ausgestellten Lizenzen für Hotels im Zentrum der Stadt stark begrenzt und die private Vermietung von Ferienwohnungen eingeschränkt. Zusätzlich führte die Stadt im Jahr 2022 spezielle Regeln für Reisegruppen ein: Die Personenzahl für Reisegruppen wurde auf 30 Personen begrenzt, in den engen Gassen der Altstadt sind maximal nur noch 15 Personen erlaubt. Gleichzeitig wurden in besonders beliebten Gegenden Einbahnregelungen für Tourist:innen in Kraft gesetzt. Geführte Gruppen dürfen im historischen Stadtzentrum „Ciutat Vella“ keine Besichtigungsstopps mehr einlegen und Megafone wurden aus Lärmschutzzwecken verboten.Ähnlich geht die italienische Regierung in der Lagunenstadt Venedig gegen die Touristenmassen vor: Ab dem 01. Juni 2024 dürfen Touristengruppen mit mehr als 25 Personen die Stadt nicht mehr besuchen. Ab diesem Zeitpunkt sind auch in Venedig Lautsprecher und Megafone bei Stadtführungen verboten. Zusätzlich müssen Kurzreisende und Tagestourist:innen ab April 2024 eine Eintrittsgebühr in Höhe von fünf Euro zahlen, um die Stadt zu besichtigen. Bereits im Jahr 2021 hatte die venezianische Regierung Kreuzfahrtschiffen mit einer Bruttoraumzahl (BRZ) von 25.000 BRZ und mehr als 180 Metern Länge das Einfahren und Anlegen in der Lagunenstadt untersagt. Auslöser für das Kreuzfahrtverbot war die Überlegung der UNESCO-Kommission Venedig in Folge von Luftverschmutzung, Überfüllung und Umweltschäden durch den Kreuzfahrttourismus als gefährdet einzustufen. Mit der Einführung des Anlegeverbots für Kreuzfahrtschiffe konnte die Stadt dies verhindern. In einer Umfrage zu den wahrgenommenen Problemen durch den Tourismus ist die übermäßige Bebauung und das spekulative Bauen das Hauptproblem aus Sicht der italienischen Bevölkerung. Doch auch die zunehmende Umweltverschmutzung und der Massentourismus werden in Italien als problematische Folgen des Tourismus gesehen.
Overtourism ist auch in Deutschland ein Problem
Beliebte touristische Sehenswürdigkeiten und Orte wie das Schloss Neuschwanstein oder ausgewählte Küstenorte an der Nord- und Ostsee werden auch in Deutschland von Reisenden überlaufen. Mit mehr als 706.000 Besucher:innen im Jahr 2022 war das Schloss Neuschwanstein das meistbesuchte Schloss in Bayern und eines der beliebtesten Sehenswürdigkeiten in ganz Deutschland. Das Märchenschloss erfreut sich weltweiter Bekanntheit - unter anderem ist es auch als Disney-Schloss bekannt und soll als Inspiration für das Schloss im Disneyfilm "Cinderella" gedient haben. Während Bayern die Königsschlösser, zu welchem auch das Schloss Neuschwanstein zählt, auf die UNESCO-Welterbeliste setzen lassen möchte, sehen viele Bürger:innen der Gemeinde Schwangau dies kritisch und befürchten, dass es in Folge eines Welterbetitels zu einem zusätzlichen Touristenansturm kommt.Orte wie Timmendorfer Strand, Westerland auf Sylt oder die Ostseeinseln Rügen und Usedom erleben insbesondere in den Sommermonaten einen Besucheransturm. In einer Umfrage zu den negativen Effekten des Tourismus gab die Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern die Vergrößerung der Verkehrsprobleme vor Ort als Hauptproblem an. Als fast gleichermaßen problematisch wurde die Belastung der Natur durch den Tourismus wahrgenommen. In Deutschland führen die steigenden Besucherzahlen zu einem Anstieg privater Unterkunftsanbieter und steigenden Mietpreisen. Gleichzeitig nimmt das Abfallproblem in den touristischen Regionen zu und es kommt zu einer vermehrten Wohnraumknappheit.
Positiv sieht die Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern hingegen die Förderung der lokalen Wirtschaft vor Ort – 75 Prozent der Einheimischen meinten in einer Umfrage, dass der Tourismus mindestens zeitweise die lokale Wirtschaft positiv beeinflusst. Gleichzeitig gaben 70 Prozent der Befragten an, dass der Tourismus für ein positives Image ihrer Region sorgt. Auch Aspekte wie die Schaffung von Arbeitsplätzen, der Beitrag des Tourismus am Erhalt der Kultur oder der Erhalt und Ausbau der Infrastruktur werden als positive Effekte des Tourismus gesehen.