Bleibt ein Krankheitsausbruch nicht lokal begrenzt und breitet sich über Länder- und Kontinentgrenzen hinweg aus, sprechen Experten entgegen zu einer räumlich begrenzten Epidemie von einer Pandemie. Solche länderübergreifenden, manchmal
treten und traten während der Menschheitsgeschichte immer wieder auf. Mitunter rafften pandemische Ausbrüche von Infektionskrankheiten Millionen Menschen dahin und trafen die Welt wie apokalyptische Ereignisse. Die als „Schwarzer Tod“ ins kollektive Gedächtnis eingegangene Pest-Pandemie zwischen 1347 und 1351 etwa löschte rund ein Drittel der damaligen Bevölkerung Europas aus. Heutzutage hingegen haben klassische Seuchen wie Pest, Pocken oder Cholera durch Erforschung und medizinischen Fortschritt einen Großteil ihres Schreckens eingebüßt – die Pocken gelten seit Anfang der achtziger Jahre als ausgerottet – und werden von alleine wohl in keinem globalen Maßstab zurückkommen. Demgegenüber stellen Pandemien viraler Infektionskrankheiten wie der Grippe oder zuletzt
HIV/AIDS-Pandemie
Eine weltweite nach wie vor andauernde Pandemie ist die
HIV/AIDS-Pandemie. Seit dem
Ausbrechen der Epidemie in den frühen achtziger Jahren haben sich bis heute weltweit rund 75 Millionen Menschen mit dem zugrundeliegenden HI-Virus infiziert. Die resultierende Krankheit
acquired immune deficiency syndrome (AIDS) forderte mindestens 32 Millionen Menschenleben – und jedes Jahr kommen
hunderttausende Todesfälle dazu. 1983 erstmals wissenschaftlich beschrieben, konnte der Ursprung des HI-Virus im Affen nachgewiesen werden, wobei die ersten Fälle im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts verortet werden. Das Virus überträgt sich über den Kontakt mit Körperflüssigkeiten. Obwohl nach wie vor keine Schutzimpfung zur Verfügung steht, kann mit Hilfe einer
Antiretroviralen Therapie (ART) die Virusvermehrung im Körper stark verlangsamt werden und der Ausbruch einer AIDS-Erkrankung verlangsamt, mittlerweile sogar fast vollständig verhindert werden. Durch eine lebenslange Therapie kann darüber hinaus die Weitergabe des Virus unterbunden werden.
Am schwersten von der Krankheit betroffen ist der afrikanische Kontinent. Vor allem südlich der Sahara leben mehr als zwei Drittel der weltweit knapp 40 Millionen Infizierten. Länder wie Swasiland, Lesotho oder Südafrika verzeichnen
HIV-Prävalenzraten von weit über 20 Prozent der Erwachsenbevölkerung.
Influenza-Pandemien
Weitaus älter ist das Influenza-Virus.
Saisonale Grippe-Wellen begleiten die Menschheit bereits seit Jahrhunderten. Derzeit infizieren sich jedes Jahr weltweit rund 500 Millionen Menschen mit dem Grippevirus. Durch Mutationen der Virusstämme kommt es in unregelmäßigen Abständen jedoch zur Ausprägung besonders aggressiver Virus-Varianten, auf die die menschliche Immunabwehr nicht vorbereitet ist und die durch deutlich höhere Letalitätsraten gekennzeichnet sind. Überträgt sich so ein neuartiges Influenzavirus gut von Mensch zu Mensch kann die Verbreitung pandemische Ausmaße annehmen und einen signifikanten Anteil der Weltbevölkerung infizieren. Das 20. Jahrhundert zählte drei derartige Influenza-Ausbrüche.
Die Grippe-Pandemie, die gegen Ende des Ersten Weltkrieges 1918 ausbrach und in den Nachkriegsjahren bis 1920 um die Welt lief, gehört zweifellos zu den
verheerendsten Pandemien der letzten 150 Jahre. Die sogenannte
„Spanischen Grippe“ infizierte weltweit mehr als 700 Millionen Menschen, die
Zahl der Todesopfer belief sich am Ende der Pandemie auf weit über 35 Millionen Menschen – möglicherweise bis zu 100 Millionen. Dabei raffte die Infektionen
vor allem junge Menschen hinweg, deren Immunabwehr im Vergleich zu Älteren noch relativ wenig Kontakt zu Grippeviren hatten.
Die zweite und dritte Grippe-Pandemie, die sogenannte
„Asiatische Grippe“ von 1957 und die
„Hongkong-Grippe“ von 1968, töteten bis 1958 bzw. 1970 weltweit mindestens eine Millionen Menschen. Heute ist bekannt, dass die drei Pandemien verschiedene antigene Subtypen des Influenza-A-Virus repräsentieren: H1N1, H2N2 bzw. H3N2. Eine deutlich verbesserte medizinische Versorgung, die Entwicklung von Impfstoffen und die zwischenzeitliche Entdeckung von Antibiotika zur Behandlung bakterieller Folgeinfektionen hatten jedoch deutlich niedrigere Letalitätsraten der beiden letzten Pandemien zur Folge.
Tierische Influenzaviren unterscheiden sich von menschlichen saisonalen Influenzaviren und springen nur selten durch den direkten oder indirekten Kontakt mit infizierten Tieren auf den Menschen über. Im Falle einer Übertragung lösen derartige Viren jedoch oft schwere, nicht selten tödliche Erkrankungen aus. Um eine solche Zoonose handelt es sich bei der 1996/97 in Hongkong ausgebrochenen besonders pathogenen Variante des Influenza A-Virus Subtyps H5N1. Seit ca. 2003 war dieses aviäre Influenzavirus von Geflügel auf den Menschen übersprungen und hat sich unter der Bezeichnung
„Vogelgrippe“ bis heute über
Asien, Europa und Afrika ausgebreitet.
Eine weitere zoonotische Virusvariante mit weltweiter Verbreitung ist ein 2009 in der USA entdecktes Influenzavirus des Subtyps A H1N1. Die von Schweinen auf den Menschen übergegangene
„Schweinegrippe“ wurde von der WHO angesichts anhaltender Mensch-zu-Mensch-Übertragungen Mitte 2009 als Pandemie eingestuft. Als die Pandemiephase ein gutes Jahr später für beendet erklärt wurde, zählte die WHO knapp
18.500 Todesfälle im Zusammenhang mit einer laborbestätigten H1N1-Infektion. Seriöse Schätzungen beziffern die tatsächliche Zahl der Todesopfer jedoch auf mehrere Hunderttausend.
Coronavirus-Pandemien
Für die erste Pandemie des 21. Jahrhunderts war eine andere Virenspezies verantwortlich. Ende 2002 traten in der chinesischen Provinz Guandong die ersten Fälle des
severe acute respiratory syndrome auf. Die durch das
SARS-Coronavirus (SARS-CoV-1) ausgelöste Lungenerkrankung verbreitete sich binnen weniger Wochen rund um den Globus und forderte innerhalb eines halben Jahres
mehr als 700 Menschenleben. Auch SARS-CoV-1 ist eine Zoonose, deren evolutionäre Entwicklung sich bis zu Viren in verschiedenen asiatischen Wildtieren wie Fledermäusen und Larvenrollern zurückverfolgen ließ. Mit Ausbruch der Erkrankung überträgt sie sich vorwiegend über Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch. Mit der raschen Entwicklung von einer lokalen Epidemie zur weltumspannenden Pandemie führte der SARS-CoV-1-Ausbruch der Öffentlichkeit anschaulich vor Augen, wie anfällig eine durch grenzüberschreitenden Reiseverkehr und Globalisierung zusammengerückte Welt für pandemische Bedrohungen geworden war.
Aus der Familie der Coronaviren stammte auch das 2012 erstmals indentifizierte
Middle East respiratory syndrome-related coronavirus (MERS-CoV), das beim Menschen zu einer schwere Infektion Atemwege und bis zum Tod führen kann. Aufgrund des Ausbreitungsgebiets - alle MERS-Infektionen hatten ihren
Ursprung auf der Arabischen Halbinsel – wird jedoch von einer schwierigen Mensch-zu-Mensch-Übertragung ausgegangen und MERS-CoV fand bisher keine pandemische Ausbreitung.
Anders verhält es sich bei dem
jüngsten Coronaviren-Ausbruch. Ende 2019 traten in Wuhan in der chinesischen Provinz Hubei die ersten Fälle einer unbekannten Lungenerkrankung auf. Die im Januar identifizierte und
COVID-19 benannte Lungenkrankheit breitete sich binnen Wochen zur weltumspannenden Pandemie mit Hunderten
Millionen Infizierten und Millionen
assoziierten Todesfällen aus. Das zugrundeliegende Coronavirus
SARS-CoV-2, dessen Ursprung ebenfalls in verschiedenen Wildtieren vermutet wird, breitet sich dabei nicht nur über Tröpfcheninfektionen aus, sondern kann unter Umständen auch über Aerosole und Schmierinfektionen übertragen werden.
Pandemien als existentielles Menschheitsrisiko
Neben Klimawandel, Naturkatastrophen oder einem nuklearen Schlagabtausch stellt die weltweite Ausbreitung einer tödlichen Krankheit eine existentielle Bedrohung für intelligentes Leben auf der Erde dar. Spätestens seit 2003 die rasche Ausbreitung von
SARS die Pandemie-Anfälligkeit einer globalisierten Welt vor Augen geführt hat, drängen WHO und andere gesundheitspolitische Akteure verstärkt zum Auf- und Ausbau von Ressourcen zur Seuchenerkennung und -bekämpfung. Dennoch traf 2009 die
Schweingrippe-Pandemie erneut auf weitgehend unvorbereitete Länder. Ein Impfserum stand nicht rechtzeitig zur Verfügung, um eine weltweite Verbreitung zu verhindern. Obwohl die Zahl laborbestätigter Todesfälle mit rund 18.500 vergleichsweise harmlos ausfiel, zeigt die enge genetische Verwandtschaft des zugrundeliegenden H1N1-Erregers mit dem Virussubtyp der Influenza-Pandemie von 1918/20 mit Abermillionen Todesfällen wie schmal der Grat hin zur globalen Katastrophe ist. Dieser Umstand wird noch unterstrichen durch neu entdeckte Infektionskrankheiten wie dem
Ebola-Fieber, dessen jüngsten
Epidemie 2014-16 in Westafrika mehr als 11.000 Menschen das Leben kostete – bei
Letalitätsraten von z.T. deutlich über 40 Prozent. Allein im Zeitraum von 2011 bis 2018 registrierte die WHO weltweit 1.483 Epidemien in 172 Ländern. Schließlich hat die jüngste
COVID-19- Pandemie gezeigt, dass noch immer gewaltiger Handlungsbedarf vorliegt und dass viele Länder nicht die nötigen Ressourcen aufgebaut haben, um ihre Bevölkerung schnell und wirkungsvoll vor zukünftigen Pandemien zu schützen.
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