Mentale Gesundheit - wie gut geht es den Deutschen?
Was beeinflusst die psychische Gesundheit und wie entstehen Erkrankungen?
In Anbetracht von (inter-)nationalen Krisen wie dem Klimawandel, der Corona-Pandemie, steigenden Lebenshaltungskosten und Kriegen, die die Bevölkerung mehr oder weniger in ihrem persönlichen Leben beeinflussen, steigt das Stresslevel und die Besorgnis bei den Menschen. Laut einer jährlichen Studie der R+V Versicherung ist mit rund 65 Prozent die größte Angst der Deutschen steigende Lebenshaltungskosten. Auf Platz zwei und drei des Rankings liegen die Angst vor unbezahlbarem Wohnraum (60 Prozent) sowie Steuererhöhungen oder allgemeiner Leistungskürzungen (57 Prozent). Eine Zunahme von Stress und Ängsten muss jedoch noch nicht den Anfang einer psychischen Erkrankung darstellen.Psychische Erkrankungen können nicht direkt auf eine Ursache zurückgeführt werden. Für die Entstehung werden sowohl biologische Faktoren, familiäre Bedingungen (z. B. Eltern mit einer Depression) als auch traumatische und belastende Lebenserfahrungen in der Vergangenheit (z. B. Trennungen, Tod eines wichtigen Menschen) in Betracht gezogen. Das Zusammenwirken der verschiedenen Faktoren gibt Aufschluss darüber, wie sich Stress oder aktuell belastende Lebensereignisse, etwa Konflikte, schwere Erkrankungen oder Trennungen, auf den Organismus eines Menschen auswirken. Für manche Menschen können Alltagsanforderungen eine Überforderung darstellen, während andere Menschen bei extremer Belastung oder Traumatisierung in psychische Krisen geraten.
Psychische Erkrankungen in Deutschland
Die Zahl der Krankschreibungen aufgrund psychischer Erkrankungen hat stark zugenommen und im vergangenen Jahr gab es in Deutschland so viele Fehltage wie noch nie wegen psychischer Erkrankungen: Im Jahr 2023 kamen durchschnittlich 323,4 AU-Tage aufgrund psychischer Erkrankungen auf 100 Versichertenjahre. Nur rund 57 Prozent der Deutschen sind mit ihrer eigenen Gesundheit zufrieden. Immer mehr Personen nehmen inzwischen professionelle Hilfe in Anspruch und sprechen mit Fachpersonal über ihre Probleme. Die Wartezeiten für einen psychologischen Gesprächstermin sind jedoch lang und auch die Dunkelziffer derer, die ihre psychische Erkrankung für sich behalten ist nach wie vor hoch. Zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland zählen Depression, Burnout oder Essstörungen.Unterschiede hinsichtlich Alter und Geschlecht
Hinsichtlich des Umgangs mit der eigenen psychischen Verfassung verhalten sich sowohl Frauen und Männer als auch die Generationen unterschiedlich. Männer reden deutlich seltener über ihre psychischen Probleme, Depressionen oder Ängste – was sich nicht selten mit den geschlechterspezifischen Rollenbildern erklären lässt. Bei Männern werden Depressionen nur halb so oft diagnostiziert wie bei Frauen. Suizide und Suchterkrankungen sind dagegen deutlich häufiger. Im Jahr 2023 verstarben 7.478 Männer infolge eines Suizids, während die Anzahl der Suizide unter den Frauen bei 2.826 Selbstmorden lag.Unter den heutigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist das Thema mentale Gesundheit weniger tabubehaftet, während es unter Babyboomern und Senior:innen häufiger stigmatisiert und ungern thematisiert wird. 38 Prozent der 18- bis 24-Jährigen sind der Meinung, dass das Thema mentale Gesundheit für die heutige Jugend eine große Herausforderung darstellt.
Die Rolle der sozialen Medien
In den letzten Jahren, vor allem im Zuge der Corona-Pandemie, hat das Thema Mental Health in der Öffentlichkeit an Bedeutung gewonnen. Die sozialen Medien entpuppen sich dabei als Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite können Instagram und Co. einen negativen Einfluss auf die Psyche haben: Der Vergleich der eigenen Person und Lebenswelt mit den optimierten und teilweise geschönten Selbstdarstellungen anderer Nutzer:innen kann das Selbstwertgefühl stark beeinträchtigen und zu Niedergeschlagenheit und gedrückter Stimmung führen. In diesem Zusammenhang ist ein weiteres Phänomen entstanden: FOMO (Fear of missing out) - die Angst, etwas zu verpassen. Im Cambrigde Dictionary wird der Begriff folgendermaßen beschrieben: „das unbehagliche Gefühl, dass man spannende Events verpassen könnte, an denen andere Leute teilnehmen, oft hervorgerufen durch Beiträge auf Social-Media-Kanälen“.Auf der anderen Seite äußern sich Celebrities und Influencer:innen insbesondere auf den sozialen Medien Instagram und TikTok auch zu Themen, die sich eigentlich weniger mit der „perfekten Social Media-Welt“ vereinbaren lassen, aber zur Lebensrealität vieler gehören. So thematisieren sie unter anderem Themen wie Rassismus, Gleichberechtigung oder mentale Gesundheit und outen sich zum Teil selbst als Betroffene. Dass sich Personen mit Reichweite öffentlich äußern, ist wichtig, um dabei zu helfen, diesen Thematiken Sichtbarkeit zu verleihen und Stigmatisierung zu beenden. Doch nehmen einige Influencer:innen diese Situation zum Anlass, psychische Erkrankungen auf ihren Accounts „zu vermarkten“. Während es eigentlich darum gehen sollte, psychische Erkrankung von Vorurteilen zu befreien und zu enttabuisieren, wird das Thema für Werbung instrumentalisiert und damit nicht zuletzt verharmlost.
Der Sozialpsychiatrische Dienst bietet kostenlose Beratung und Hilfe für erwachsene Menschen mit seelischen Problemen, psychischen Erkrankungen, in akuten Krisensituationen, bei Suizidgedanken, Suchtproblemen, altersbedingten seelischen Störungen und geistigen Behinderungen an, auch für Angehörige und das soziale Umfeld. Hier finden Sie Adressen von Sozialpsychiatrischen Diensten der verschiedenen Bundesländer.