Online-Lebensmittellieferung - Was bleibt nach dem Quick Commerce Boom?
Doch was bleibt in den wirtschaftlichen Krisenzeiten nach der Pandemie? In jedem Fall die Erkenntnis, dass On-Demand-Delivery-Pureplayer aka der Quick Commerce alleine kaum überlebensfähig sind. Die Optionen: Die eigenen Geschäftsbereiche erweitern (Stichwort: Werbegeschäft) oder als Aggregator für schwächelnde kleine Player und den stationären Handel fungieren, sozusagen die Grocery-Version der Entwicklungen im Online-Marktplatzgeschäft.
Die USA machen es vor: Instacart vereint Quick Commerce und Retail Delivery
In Nordamerika agiert Instacart als der Aggregator in Sachen Online-Grocery und ermöglicht es Kunden, Lebensmittel und Haushaltswaren online zu bestellen, welche von „Shoppern“ an den Einkäufer ausgeliefert werden. Die Ware wird gestellt von etablierten Einzelhändlern wie beispielsweise Costco, Kroger, Safeway und Aldi. Für das Jahr 2023 hat Instacart einen Umsatz in Höhe von über drei Milliarden US-Dollar ausgewiesen. Auch das Werbegeschäft boomt: Mitte 2023 nutzten über 5.500 CPG-Marken Instacart Ads, was sich entsprechend in den Werbeeinnahmen widerspiegelt. Nach einer Finanzierungsrunde im Jahr 2021 belief sich zudem die Bewertung von Instacart auf rund 39 Milliarden US-Dollar.Quick Commerce in Deutschland: Happy End in Sicht?
Der Blick auf Deutschland zeigt einen fragmentierten Markt, auf den im vergangenen Jahrzehnt zahlreiche Anbieter geströmt und zum Teil wieder verschwunden sind, aufgekauft wurden oder ums Überleben kämpfen. Als Beispiele: Flaschenpost ist seit 2020 Teil der Oetker-Gruppe und hat das Sortiment um Lebensmittel erweitert. Im selben Jahr wird Gorillas an Getir verkauft, welches wiederum selbst anschließend durch die Hände von Just Eat Takeaway und Uber Eats gegangen ist und 2024 nun den Betrieb in Deutschland gänzlich eingestellt hat. Wolt geht an DoorDash und für Flink scheint kein Happy End in Sicht. Längst ist klar: Die deutsche Grocery-Delivery-Branche braucht ihr eigenes Instacart – doch wer könnte diese Position übernehmen? Für diese Prognose hilft ein Blick auf kürzliche Übernahmen, Strategieänderungen (von Meal Delivery zu Grocery & Meal Delivery) und die wirtschaftliche Lage, in der sich die verbliebenen Player befinden.Doordash/Wolt
Doordash, ein milliardenschwerer amerikanischer Lieferdienst, erlebte auf seinem Heimatmarkt während der Corona-Pandemie ein massives Umsatzwachstum und behält auch in den Folgejahren eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 22,8 Prozent bei (2020 bis 2023). Für seinen europäischen Start hatte das Unternehmen ursprünglich Stuttgart ausgewählt und begann das Geschäft in Deutschland durch die Übernahme von Wolt – ein bedeutender Schritt in die europäischen Märkte für Doordash, das bisher hauptsächlich in Nordamerika tätig war. Auf Wolt liegt nun auch das gesamte Vertrauen des Lieferdienst-Riesen: Die 60 Mitarbeiter, die Doordash in Deutschland beschäftigen wollte, werden in die deutsche Zentrale von Wolt um- und Doordash selbst sich wieder aus der Bundesrepublik zurückziehen.
Uber Eats
Uber Technologies erwirtschaftet mittlerweile ein Drittel seiner Umsätze im Segment Delivery, wodurch es gemeinsam mit dem Segment Mobility die zentralen Säulen des Unternehmens bildet. Im Februar 2024 vereinte Uber Eats in Deutschland die Dienste der schwächelnden Quick Commerce Anbieter Getir und Flink in seiner App, was sie zur ersten Plattform hierzulande macht, die diese Dienste in einer Anwendung anbietet. Diese Integration ist Teil des Uber-One-Lieferabos, das für 4,99 Euro monatlich unbegrenzte kostenlose Lieferungen ermöglicht. Die Partnerschaft mit Flink startete in 39 deutschen Städten und erweitert das Lebensmittel-Lieferangebot von Uber Eats. In den USA hat Uber Eats zudem die Funktion "Bundle another store" eingeführt, die es Kunden ermöglicht, bei mehreren Anbietern gleichzeitig zu bestellen.
JustEat Takeaway.com (Lieferando)
Nach der großen Fusion von Foodora, Lieferheld und Pizza.de unter dem Dach Lieferando im Jahr 2018 war für den führenden Lieferservice in Deutschland der Online-Handel mit Lebensmitteln noch ausgeschlossen. Mittlerweile ist die deutsche Tochter der Just Eat Takeaway.com nicht nur in ebendieses Geschäft eingestiegen, sondern liefert sogar Konsumelektronik: Lieferando wird zum "Alleslieferer" unter dem Motto "empower everyday convenience". Zentraler Auslöser dieses Strategiewechsels dürfte die Corona-Pandemie und der damit verbundene Quick Commerce-Boom sowie der erstarkende Wettbewerb in der deutschen Lebensmittellieferbranche gewesen sein. Im Jahr 2023 positionierte sich der Mutterkonzern Just Eat Takeaway.com stark im globalen Vergleich hinter Doordash, Delivery Hero und Instacart. Der Konkurrenz ist bisher jedoch kein Durchbruch auf dem europäischen Markt gelungen, womit Just Eat Takeaway.com hier weiterhin die Nase vorne behält. In Deutschland ist Lieferando sogar der mit Abstand beliebteste Lieferservice, was dem Unternehmen eine gute Grundlage schafft, sich als deutsches Instacart zu etablieren.