Stimmenverteilung der Auslandstürken beim Verfassungsreferendum in der Türkei 2017
Worum ging es beim Verfassungsreferendum in der Türkei 2017?
Das Verfassungsreferendum in der Türkei 2017 war nach 2007 und 2010 das dritte und vielleicht wichtigste Referendum, das von der regierenden AKP und Parteiführer Recep Tayyip Erdoğan initiiert wurde, denn zur Abstimmung stand nicht weniger als der Wechsel des politischen Systems der Türkei und damit einhergehend auch die Abkehr von einer möglichen EU-Mitgliedschaft. Kernelement der zur Abstimmung stehenden Gesetzesvorlage war die Abkehr vom parlamentarischen Regierungssystem, in dem die Exekutivmacht bei der großen Nationalversammlung (türkisches Parlament) lag, in ein Präsidialsystem, das das Parlament entmachtet, weil die Exekutivgewalt auf das Amt des Staatspräsidenten übertragen wird. Das Amt des Ministerpräsidenten wird dadurch obsolet und im Zuge des Inkrafttretens des Gesetztes abgeschafft. Anders als in Ländern wie Frankreich oder den USA, die auch ein Präsidialsystem haben, sieht das türkische System keine demokratische Kontrollinstanz für den Staatspräsidenten vor, dessen Machtfülle daher eher einem autokratischen System und weniger einem demokratischen System gleicht. Diese Machtfülle ist aber nicht vereinbar mit den zu erfüllenden verfassungsrechtlichen Kriterien, die an eine EU-Mitgliedschaft gestellt werden.Hintergrund und Kritik an der Volksabstimmung 2017
Recep Tayyip Erdoğan führte als Ministerpräsident die Regierung bis zur Präsidentschaftswahl am 10. August 2014 an und übergab nach der gewonnenen Präsidentschaft die Regierungsgeschäfte an seinen Nachfolger Ahmet Davutoğlu. Erdoğan selbst legte am 28. August 2014 den Amtseid als Präsident der Türkei ab. Die Türkei ist zu diesem Zeitpunkt noch eine parlamentarische Demokratie gewesen, bei der die Macht klar in der türkischen großen Nationalversammlung (türkisches Parlament) lag und der Staatspräsident nur beschränkte Befugnisse und Macht besaß. Erdoğan verfolgte bereits vor seiner Wahl zum Präsidenten das Ziel, das parlamentarische System der Türkei in ein Präsidialsystem zu ändern und somit das Parlament zwar nicht gänzlich seiner Macht zu berauben, aber wesentliche Befugnisse vom Parlament zum Präsidenten zu übertragen und auch unabhängig vom Parlament die politische Macht beim Staatspräsidenten zu konzentrieren.Für diese Änderungen müsste aber die Verfassung selbst geändert werden. Hierfür benötigte die Regierung jedoch entweder eine Zweidrittelmehrheit im türkischen Parlament (min. 367 von 550 Mandaten) oder zumindest eine 60 Prozent-Mehrheit (min. 330 Mandate) um ein Referendum (Volksabstimmung) über die Verfassungsänderung initiieren zu dürfen. Da die AKP-Regierung bei den türkischen Parlamentswahlen im Juni 2015 und auch bei den Neuwahlen im November 2015 die nötige Zweidrittelmehrheit im Parlament verfehlte, blieb für den geplanten Systemwechsel nur der Weg über ein Verfassungsreferendum übrig.
Internationale Beobachter und Organisationen (Europarat, OSZE u.a.), Journalisten und Oppositionelle kritisierten Zeitpunkt, Durchführung und Auszählung des Referendums und legten deutliche Hinweise für einen Wahlbetrug vor. Unter anderem wurden nachträglich bis zu drei Millionen "Ja-Stimmen" durch den türkischen Hohen Wahlausschuss legitimiert, obwohl ihnen der zwingend vorgeschriebene nötige Wahlstempel fehlte.