Meinungsfreiheit in Deutschland
Die gefühlte Meinungsfreiheit in Deutschland
Nur noch eine Minderheit von 40 Prozent der Befragten hat das Gefühl, man könne in Deutschland seine politische Meinung frei äußern. Das ergab die letzte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach. Laut Allensbach ist dies der niedrigste Wert, seit die Umfrage im Jahr 1953 das erste Mal durchgeführt wurde. Andere Umfragen kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Infratest dimap notierte im Februar 2024 bei der Frage nach den größten Sorgen auf Platz zwei die Befürchtung, wegen bestimmter Meinungen ausgegrenzt zu werden. Auf Platz eins landete die Sorge vor dem Klimawandel - allerdings mit nur einem Prozentpunkt Vorsprung. Deutlich positiver wurde der Zustand der Meinungsfreiheit in Deutschland dagegen im Rahmen einer Umfrage der Europäischen Kommission beschrieben.Bei Umfragen zur Meinungsfreiheit geht es oft nicht um die staatliche Meinungsfreiheit, sondern die gesellschaftliche: um das Gefühl, dass Verstöße gegen die Political Correctness mit negativen Sanktionen belegt werden. Dabei – das zeigt die Allensbach-Umfrage - ist neben der Parteipräferenz die Schulbildung ein wichtiger Faktor. Menschen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen sind öfter unsicher, wenn es darum geht, ihre Meinung öffentlich zu machen.
Bedroht der Staat die Meinungsfreiheit?
Im weltweiten Vergleich ist Deutschland eines der freiesten Länder der Welt. Allerdings gab es zuletzt auch vermehrt Kritik an der Bundesrepublik. Im internationalen Ranking des Civicus Monitor erzielte Deutschland zuletzt nur noch 76 Indexpunkte. Im Vorjahr hatte es Deutschland noch mit 86 Punkten auf Platz 16 der Rangliste der Länder mit der höchsten gesellschaftlichen Freiheit geschafft. Civicus stufte darüber hinaus den zivilgesellschaftlichen Raum in Deutschland von "offen" auf "beeinträchtigt" herab. Nach Auffassung von Civicus schützt die deutsche Regierung die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit ihrer Bürger nicht mehr vollständig beziehungsweise verletzt diese Freiheiten gelegentlich. Grund für dies Einschätzung war insbesondere der Umgang mit der Klimaprotestbewegung. Bei Civicus handelt es sich um eine Allianz zivilgesellschaftlicher Organisationen, die für das Freiheitsranking unter anderem die Pressefreiheit, die freie Meinungsäußerung und das Demonstrationsrecht bewerten.Dass es auch in Zukunft in Deutschland weitere Verletzungen der Meinungsfreiheit geben wird, wenn staatliche Stellen kritisiert werden, liegt zumindest im Bereich des Möglichen. Seit dem Jahr 2021 enthält der Verfassungsschutzbericht die neue Rubrik "Delegitimierung des Staates". Diese adressiert Personen, die sich gegen den Staat stellen, ohne sich dabei klar dem linksextremistischen, rechtsextremistischen oder islamistischen Lager zurechnen zu lassen. Weil die neue Rubrik bewusst vage gefasst ist, hat sie viel Kritik ausgelöst: Die Regierung könne in Versuchung geraten, mithilfe des Verfassungsschutzes kritische Meinungen zu unterdrücken.
Die Grenzen der Meinungsfreiheit: Hate Speech und Fake News
Die Verbreitung von Fehlinformationen und Desinformationen ist zu einem der großen Probleme unserer Zeit geworden. Viele Regierungen weltweit haben Gesetze zur Bekämpfung von "Fake News" erlassen, die mitunter aber auch die Presse- oder Meinungsfreiheit beeinträchtigen. Deutschland steht mit Blick auf die Freiheit im Internet gut da, hat allerdings zuletzt im Freedom on the Net Index von Freedom House an Punkten verloren. Neben Desinformation wird auch Hate Speech im Internet immer stärker als Problem wahrgenommen. Sowohl Hate Speech als auch die Verbreitung von Fake News können den offenen Meinungsaustausch erheblich beeinträchtigen und zu Selbstzensur bei den Betroffenen führen. Gedeckt durch die Meinungsfreiheit sind sie nicht. Denn die Grenzen der Meinungsfreiheit sind dort, wo die Grundrechte anderer verletzt werden: Verboten sind in Deutschland zum Beispiel der Aufruf zum Hass, das Androhen von Gewalt und reine Beleidigungen.Ob in den Medien gegen diese Verbote verstoßen wird, prüft dabei in der Regel nicht die Regierung, sondern vom Staat unabhängige Stellen. Dadurch soll eine ideologisch motivierte Zensur verhindert werden. Eine Herausforderung ist dabei das Internet. Mit dem 2024 in Kraft getretenen Gesetz über digitale Dienste (DSA) sollen Hasskommentare, Volksverhetzung, Beleidigungen und Fake News bekämpft werden. Unter anderem sind nach dem DSA alle Anbieter von Onlineplattformen verpflichtet, Meldeverfahren für rechtswidrige Inhalte einzurichten. Zwar wird in Deutschland grundsätzlich eine bessere Regulierung von Big Tech begrüßt. Allerdings besteht auch die Sorge, dass der DSA Plattformbetreiber dazu bringen könnte, Inhalte vorsorglich zu streng zu löschen ("overblocking").