Die derzeit im Bundestag vertretenen Parteien haben heute fast alle deutlich weniger Mitglieder als noch im Jahr 1990. Das zeigt die Statista-Grafik auf Basis von Daten der FU Berlin. Den prozentual stärksten Rückgang verzeichnet die Partei Die Linke mit -78 Prozent. In absoluten Zahlen hat die SPD am meisten Federn gelassen: sie verlor seit 1990 über eine halbe Million Mitglieder. Bündnis 90/Die Grünen verzeichnen dagegen einen kräftigen Aufwärtstrend: sie konnte ihre Mitgliederzahl verdreifachen. Die erst im Februar 2013 gegründete AfD hatte Ende 2013 schon 17.687 Mitglieder, verlor 2015 durch die Abspaltung des Flügels um den Parteigründer Bernd Lucke aber damals etwa ein Fünftel ihrer Mitgliederschaft. Danach wuchs die Zahl der Mitglieder in den meisten Jahren an und liegt nun Ende 2021 bei 30.125.
Die derzeitige Migrationspolitik der Ampel-Regierung sorgt indes bei den Grünen vielfach für Diskussionen und Unmut. Medien berichten von gehäuften Parteiaustritten, ohne diese allerdings näher quantifizieren zu können. Belastbare Daten für 2023 dürften erst in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres vorliegen.
Der Parteienforscher und Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer sieht als einen Grund für den Mitgliederverlust vieler Parteien die Erosion der sozialen Milieus. Unter sozialen Milieus werden in der Wissenschaft gesellschaftliche Gruppen mit ähnlichen Wertehaltungen, Prinzipien der Lebensgestaltung und damit auch Parteizugehörigkeiten verstanden. Die SPD-Wählerschaft und Mitglieder rekrutierten sich vor allem aus dem sozialdemokratischen Arbeitermilieu und der gewerkschaftsnahen Industriearbeiterschaft. Diese klassische Arbeiterschicht schrumpft aber zunehmend. Die Union dagegen hat ihre Basis im christlich-konservativen Milieu. Doch auch dieses klassisch-christliche Milieu schrumpft, denn immer weniger Deutsche sind Mitglied einer Kirche.