Lobbyismus in Deutschland und der EU
Die größten deutschen Lobbyorganisationen in Brüssel
Während Zahlen für Deutschland lange fehlten, haben Europäische Kommission und Europäisches Parlament bereits 2011 ein Transparenzregister für die EU-Institutionen eingeführt. Kernstück des Registers sind Schätzungen der Interessenvertretungen zu den jeweils eigenen jährlichen Ausgaben für Lobbying. Weil die Angaben freiwillig und weitgehend unkontrolliert erfolgen, gilt das Europäische Transparenzregister als eher unzuverlässig und unvollständig. Vermutlich werden Ausgaben auch tendenziell zu gering veranschlagt. Ungeachtet dessen ist das Register die Hauptinformationsquelle für Lobbying in Brüssel.Nach den Daten des Transparenzregisters stellte zuletzt von den aus Deutschland stammenden EU-Lobbyisten die Bayer AG am meisten Geld für die Lobbyarbeit zur Verfügung. Auf sie folgten die deutsche Lobbyagentur EUTOP Europe und der Verband der Chemischen Industrie. Blickt man nur auf deutsche Unternehmen (und lässt Verbände und Agenturen außen vor), schafften es neben der Bayer AG noch Bosch, BASF, Volkswagen und Siemens unter die Top Five der EU-Lobbyisten.
So viel zahlen die größten DAX-Konzerne für Lobbyarbeit in den USA
Die USA führen schon seit längerem ein öffentlich zugängliches und transparentes Lobbyregister. Von den 15 umsatzstärksten DAX-Konzernen investierten im Jahr 2022 13 Unternehmen in Lobbyarbeit auf US-Bundesebene. Allein Fresenius Medical Care veranschlagte seine Ausgaben für Lobbyismus in Washington 2022 auf über sieben Millionen Dollar.Die mächtigsten Lobbyisten der EU
Nicht nur deutsche Organisationen bemühen sich um Gehör in der EU-Politik – auch wenn es in Brüssel besonders viele Interessenvertretungen aus Deutschland gibt. Betrachtet man alle Herkunftsländer, gehören zu den größten Lobbyisten in der EU nach Budget viele PR- und Kommunikationsfirmen, die im Auftrag ihrer Kunden Lobbyarbeit betreiben. Die PR-Agentur Fleishman-Hillard ließ sich ihre Lobbyaktivitäten zuletzt mehr als 10 Millionen Euro kosten und war damit der größte Lobbyist in Brüssel. Blendet man Verbände und PR-Firmen aus und betrachtet nur Unternehmen, sind aktuell Meta, Microsoft, Apple und Bayer die mächtigsten Lobbyisten in Brüssel.Big-Tech in Brüssel
Digitalkonzerne und Tech-Branche gehören inzwischen zu den aktivsten Lobbyakteuren auf EU-Ebene. Unter anderem Meta, Apple und Microsoft lassen viel Geld nach Brüssel fließen: Allen drei Konzernen war der Zugang zur EU-Politik zuletzt jährlich jeweils mindestens sieben Millionen Euro wert.Der direkteste Weg der Interessenvertretung führt über Gespräche mit Parlamentariern und Vertretern der Exekutive. Interessant ist daher nicht nur, wie viel Geld in die Lobbyarbeit fließt, sondern auch, wie viele Treffen Interessenvertreter mit Personal aus dem EU-Apparat haben – mit welchem Erfolg Lobbyisten also in Brüssel agieren. Die Europäische Kommission veröffentlich seit dem 1. Dezember 2014 alle Treffen, die Kommissare, deren Kabinettsmitglieder und Generaldirektoren mit Lobbyisten haben (berücksichtigt werden nur Treffen mit dem EU-Spitzenpersonal). Hier ist Google Vorreiter: Seit 2014 wurden 358 Treffen zwischen Mitarbeitenden von Google und führenden EU-Beamten registriert.
Lobbybranche in Brüssel auf Wachstumskurs
Die Zahl der Verbände, Unternehmen und Organisationen, die im Europäischen Transparenzregister gelistet sind, ist in den vergangenen Jahren zügig gewachsen. Ende 2023 gab es in Brüssel mehr als 12.000 registrierte Lobbyorganisationen und Interessenvertretungen.Der Bedeutungszuwachs des EU-Lobbying geht einher mit einem Wandel und einer Professionalisierung der Interessenvertretung. Etablierte Akteure (Dach- und Branchenverbände wie zum Beispiel der Bundesverband der Deutschen Industrie) können in der komplizierten EU-Politik die spezifischen Interessen einzelner Mitgliedern oft nicht mehr ausreichend vertreten. Immer häufiger agieren Großkonzerne und professionelle Dienstleister (zum Beispiel Beratungsunternehmen oder Kanzleien) als Interessenvertreter. Bei Großkonzernen zeigt sich dieser Wandel schon in dem Anstieg gelisteter Unternehmen im EU-Lobbyregister. Professionelle Dienstleister machen zwar nur einen kleinen Teil der Lobbyakteure aus, über sie fließt allerdings besonders viel Geld in die Lobbyarbeit. Ebenfalls professionalisiert haben sich in den letzten Jahren auch viele der NGOs, die sich in Brüssel zum Beispiel für Umweltschutz einsetzen – oder aber für mehr Transparenz in der Lobbyarbeit.
Parteispenden und Nebeneinkünfte
Besonders kritisch betrachtet wird im Zusammenhang mit der Interessensvermittlung die Parteienfinanzierung. Parteien sind auf Spenden angewiesen. Es besteht aber die Befürchtung, dass sich Interessensvertreter durch Geld politischen Einfluss kaufen könnten. Deshalb haben die Regeln, die im Bereich der Parteispenden für Transparenz sorgen sollen, im Laufe der Jahre in Deutschland zugenommen. Zum Beispiel müssen Einzelspenden, welche die Höhe von 50.000 Euro übersteigen, unverzüglich angezeigt werden. Eine Ausnahme bildet das "Politsponsoring", für das es bislang keine Offenlegungspflichten gibt und über das zunehmend mehr Geld an Parteien fließt.Immer wieder kritisch betrachtet werden außerdem die Nebentätigkeiten von Parlamentariern. In manchen Fällen ergibt sich aus diesen eine Nähe zu bestimmten Interessen, die als problematisch empfunden wird. Da Abgeordnete verpflichtet sind, ihre entgeltlichen Tätigkeiten anzuzeigen (wenn auch nur in Abstufungen) liegen hier einige Daten vor. Allgemein zeigt sich, dass vor allem Abgeordnete aus CDU/CSU und FDP einer bezahlten Nebentätigkeit neben dem Mandat nachgehen. Abgeordnete dieser Parteien erzielen auch die höchsten durchschnittlichen Einnahmen aus ihren Nebentätigkeiten.