Chemieindustrie: Ökologische Nachhaltigkeit im Fokus
Primärziel Emissionsreduktion
Eine wichtige und leicht zu erfassende Kennzahl der ökologischen Nachhaltigkeit sind Treibhausgasemissionen. Diese umfassen neben Kohlenstoffdioxid (CO2) als Hauptemission und Referenzgröße auch Methan (CH4), Stickoxide wie Lachgas (N2O) und die Substanzklasse der Fluorkohlenwasserstoffe (FKW), die allen voran in der chemischen Synthese als Nebenprodukte anfallen. Hierbei sind aber nicht nur die direkten (Scope-1) Emissionen relevant, sondern auch jene, die aus der Prozessenergieerzeugung und deren Bezug resultieren (Scope-2). So waren im Jahr 2022 mit etwa neun Exajoule allein 1,5 Prozent des weltweiten Primärenergieverbrauchs auf die Grundchemikalienproduktion zurückzuführen. Und hierbei war es insbesondere die Ammoniaksynthese, die als solches zwar kein Kohlenstoffdioxid direkt emittiert, aufgrund ihres hohen Prozessenergiebedarfs aber den größten Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen durch die Herstellung von Basischemikalien hatte. Neben den Luftemissionen sind es aber vor allem auch die von der Chemieindustrie und ihren Abnehmern verursachten Emissionen von Schwermetallen, Nitraten und synthetischen Verbindungen in Gewässer und Böden, die auch in geringen Konzentrationen unmittelbare negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben können.„Ewigkeitschemikalien“ als Langzeitrisiko
In den vergangenen Jahren hat insbesondere die fortschreitende Belastung der Umwelt mit sogenannten „Ewigkeitschemikalien“ wie PFAS ihren Weg in den öffentlichen Diskurs gefunden. Die Abkürzung PFAS umfasst dabei eine Vielzahl per- und polyfluorierter Kohlenstoffverbindungen, die als solche nicht in der Natur vorkommen und auch nicht durch biologische Prozesse abbaubar sind. Sie werden als wasserabweisende Beschichtungen für Haushalts- und Outdoorgegenstände oder Bestandteil von Löschschäumen und Pflanzenschutzmitteln verwendet und stehen mittlerweile im Verdacht, Schilddrüsen- und Lebererkrankungen, Hormonstörungen und Krebs auszulösen. Eine im Jahr 2024 veröffentlichte Langzeitstudie belegte hierbei jüngst, dass sich der Kontaminationsanteil von Obst und Gemüse in der Europäischen Union im Zeitraum von 2011 bis 2021 verdrei- bzw. vervierfacht hat. Zudem wiesen in einer Studie aus dem Jahr 2023 über 24 Prozent der französischen und 18 Prozent der deutschen Proband:innen im Jugendalter erhöhte PFAS-Konzentrationen im Blut auf.Zwischen Konkurrenzdruck und Kreislaufwirtschaft
Bereits die im Jahr 2007 in Kraft getretene REACH-Verordnung regulierte auf europäischer Ebene die Herstellung und Klassifizierung von umwelt- und gesundheitsgefährdenden Chemikalien. Klar formulierte und quantifizierbare Nachhaltigkeitsziele auf internationaler Ebene motivierten Unternehmen der Chemiebranche jüngst, eigene Net-Zero-Szenarien zu konzipieren und Investitionen in langfristige Umweltschutzmaßnahmen zu intensivieren. Spätestens mit der Implementierung des europäischen CSRD-Standards zur Offenlegung von Nachhaltigkeitskennzahlen wird es unabdingbar für Chemiekonzerne, langfristige und innovative Lösungen für die Chemieindustrie von morgen zu finden. Dies wird teilweise, insbesondere mit Blick auf die stetig weiter expandierende und weniger regulierte Chemieindustrie Chinas als Wettbewerbsnachteil für den Westen ausgelegt.Aber: in Anbetracht knapper Ressourcen und den möglichen Folgen des voranschreitenden Klimawandels ist die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft langfristig womöglich rentabler als der Status quo. Die Chemieindustrie sieht sich im Rahmen der Nachhaltigkeit einerseits damit konfrontiert, ihren stofflichen und energetischen Verbrauch effizienter zu gestalten und ihre Emissionen sowohl in Hinsicht auf Menge und Schädlichkeit zu reduzieren; andererseits ist sie selbst der Innovationsmotor für die Etablierung neuer Technologien, wie zum Beispiel Carbon Management, Grüner Ammoniak- und Wasserstoffsynthese sowie der ökologisch nachhaltigen Herstellung von Methanol für alternative Kraftstoffe.