Statistiken zu Stellvertreterkriegen im 20. Jahrhundert
Ein Stellvertreterkrieg findet also zwischen den übergeordneten Interessen zweier oder mehrerer Großmächte statt, jedoch kommt es nicht zwangsläufig zu direkten Kampfhandlungen beider Fraktionen. Stattdessen werden Drittstaaten mit Ressourcen ausgestattet, damit diese im Sinne der gebenden Seite handeln. Diese Ressourcen sind häufig finanzieller Natur, aber oft werden auch direkt Kriegsmaterial und andere Rohstoffe zur Verfügung gestellt. Dabei wurde häufig auch für eine der Seiten in bereits eskalierten Konflikten eingegriffen.
Frühe Stellvertreterkriege des 20. Jahrhunderts - Bürgerkriege in Russland, Spanien und China
Stellvertreterkriege sind jedoch kein Phänomen, das erst mit dem Kalten Krieg auftrat. Bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam es zu entsprechenden Konflikten zwischen Ideologien und Mächten, die regional ausgefochten wurden: Im Spanischen Bürgerkrieg in den Jahren 1936 bis 1939 standen sich Nationalisten und linke Republikaner gegenüber. Erstere wurden von den faschistischen Diktaturen des nationalsozialistischen Deutschlands und Italiens unterstützt, letztere besonders von der Sowjetunion. Beide Seiten hatten ein erhebliches Interesse daran die eigene Ideologie in Spanien an der Macht zu sehen und damit die eigene Position in Europa zu stärken. Ein ähnliches Szenario entwickelte sich im Zuge des Chinesischen Bürgerkrieges, der mit Unterbrechungen von 1927 bis 1949 tobte: Von westlichen Staaten unterstützte Nationalisten kämpften gegen kommunistische Streitkräfte, welche wiederum Versorgungsgüter aus der UdSSR erhielten. Für die Dauer der japanischen Invasion vereinbarten beide Seiten einen Waffenstillstand, dieser zerbrach nach der japanischen Niederlage jedoch sehr schnell wieder. Die Ergebnisse waren unterschiedlich: In Spanien obsiegten die Faschisten (und herrschten bis 1977), in China schließlich die Kommunisten (die bis heute die Macht in der Volksrepublik besitzen). Ein vergleichbares Szenario gab es vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Asien zwischen Japan und der UdSSR am Chalchyn gol (auch Chalcha, ein Grenzfluss zwischen der Mongolei und dem damaligen japanischen Marionettenstaat Mandschukuo).Stellvertreterkriege des Kalten Krieges - Korea und Vietnam
Im asiatischen Raum entbrannten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die beiden bekanntesten Stellvertreterkriege des Kalten Krieges: Der Kampf in Korea und der Konflikt in Vietnam. Die Vereinigten Staaten von Amerika versuchten gemäß ihrer "Containment-Politik" und der "Truman-Doktrin" eine Ausbreitung des Kommunismus zu verhindern. Befürchtet wurde der sogenannte "Dominoeffekt": Sollte in einer Region ein Land kommunistisch werden, so könne sich dieser - wie bei aneinanderstoßenden Dominosteinen - in einer Kettenreaktion auf die gesamte Region ausbreiten. Ein solches Szenario wurde unter anderem in Südostasien erwartet. Sowohl Korea als auch Vietnam wurden als Folge der ideologischen Konfrontation in zwei Teile gespalten: Einen kommunistischen Norden und ein jeweils von den USA unterstütztes Regime im Süden. Im Koreakrieg (1950-1953) kämpften zunächst beide koreanischen Staaten gegeneinander, jedoch traten mit wechselndem Kriegserfolg zunächst die USA direkt und später auf Wunsch der Sowjetunion die Volksrepublik China in den Krieg ein. Nach einem langen und verlustreichen Krieg wurde ein Waffenstillstand geschlossen. Die Grenzen beider Staaten hatten sich kaum verändert und diese Demarkationslinie trennt bis heute Nord- und Südkorea.Der Krieg in Vietnam (1955-1975) begann als "Indochinakrieg" um die Unabhängigkeit Vietnams von Frankreich. Als die USA zur Eindämmung des Kommunismus eingriffen, wurden sie und ihre Verbündeten in einen langen und verlustreichen Guerillakrieg verwickelt: Die Truppen Nordvietnams und der kommunistische "Vietcong" nutzten den Dschungel Vietnams für Angriffe aus dem Hinterhalt und verwehrten den Amerikanern damit den Einsatz ihrer schweren Waffen. Erneut wurden die kommunistischen Kräfte durch sowjetisches Geld und Material unterstützt. Nachdem die amerikanische Öffentlichkeit zunehmend kriegsmüde wurde, mussten die USA ihre Truppen schließlich abziehen. Südvietnam wurde kurz darauf von kommunistischen Truppen erobert. Ein umfassender Dominoeffekt blieb zwar aus, jedoch konnte als Folge in Kambodscha die kommunistischen Roten Khmer die Macht ergreifen und einen Schreckensstaat errichten: Binnen vier Jahren wurde rund ein Viertel der Bevölkerung Kambodschas ermordet oder starb an Entbehrungen.
Weitere Schauplätze - Suez, Afghanistan und der Übergang zum 21. Jahrhundert
Auch der Nahe und Mittlere Osten wurden zum Austragungsort einiger Stellvertreterkriege: Wirtschaftliche Interessen lösten beispielweise die Suezkrise zwischen Ägypten auf der einen sowie Israel, dem Vereinigten Königreich und Frankreich auf der anderen Seite aus. Als einer der letzten großen Stellvertreterkriege des Kalten Krieges gilt die sowjetische Intervention in Afghanistan (1979 bis 1989). Auch der erste Golfkrieg (auch Iran-Irak-Krieg, 1980 bis 1988), der durch Glaubensfragen verstärkt wurde, führte zur Unterstützung durch verschiedene Großmächte - teilweise mit Lieferungen an beide Seiten. Stellvertreterkriege waren also nicht nur das Mittel der Wahl im Konkurrenzkampf zweier Weltideologien, sondern wurden unter anderem auch aus rein politischen oder wirtschaftlichen Gründen geführt.Die Liste der Stellvertreterkriege lässt sich weiter fortsetzen, teilweise ist die Zuordnung aber schwierig. Vom Russischen Bürgerkrieg, über die Kubakrise, den Bürgerkrieg in Angola (mit kaum seriösen Zahlen zum Konflikt), bis hin zum Bürgerkrieg in Syrien unterscheiden sich zwar die Details, die grundlegenden Strukturen bleiben jedoch gleich.