Seiteneinstieg ins Lehramt: große regionale Unterschiede
Schon in den letzten Jahren haben viele Bundesländer Bewerberinnen und Bewerber eingestellt, die kein Lehramtsstudium abgeschlossen und keinen Vorbereitungsdienst absolviert hatten. Die regionalen Unterschiede beim Einsatz von Quereinsteigern beziehungsweise Seiteneinsteigern sind dabei groß. Während inzwischen in einigen Bundesländern mehr als jede vierte Neueinstellung über nicht formal qualifizierte Personen realisiert wird, greifen andere Bundesländer nur in Ausnahmefällen auf Seiteneinsteiger zurück: Ihnen stehen noch genügend ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung.Unterschiedliche Prognosen zur Lehrerlücke an Schulen
Für das Schuljahr 2035/36 rechnet die Kultusministerkonferenz (KMK) mit einer Lücke von 21.000 Vollzeitstellen. Verglichen mit anderen Prognosen sind diese Zahlen moderat. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) könnte sich der Mangel auf 66.000 Stellen belaufen. Berücksichtigt man die Teilzeitarbeit, wird die Lücke noch größer: Zum Schuljahr 2035/36 könnten dann laut KMK 24.000 Lehrkräfte fehlen, nach den Berechnungen des IW sogar 76.000 Lehrkräfte. Auch eine Studie des Bildungsexperten Klaus Klemm im Auftrag des VBE aus dem Jahr 2022 kam zu dem Ergebnis, dass die Berechnungen der KMK zu niedrig liegen. Für das Schuljahr 2035/36 kommt die VBE-Studie auf einen Mangel von 85.000 Lehrkräften.Bestand an Lehrkräften wächst
In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland angewachsen. Da sich, entgegen dem gesamtgesellschaftlichen Trend, der Bestand der Lehrkräfte außerdem verjüngt hat, kann die Zahl der Lehrkräfte in der nächsten Zeit vermutlich gehalten beziehungsweise weiter vergrößert werden. Eine Ausnahme bilden die Bundesländer im Osten, insbesondere Sachsen-Anhalt und Thüringen. Anders als in den übrigen Regionen Deutschlands wird hier eine anstehende Pensionierungswelle ein hohes Maß an Neueinstellungen notwendig machen.Steigende Schülerzahlen
Dass trotz der positiven Entwicklung bei der Zahl der Lehrerinnen und Lehrer ein Mangel an Lehrkräften droht, liegt vor allem an dem neuen Babyboom der 2010er Jahre. Der deutliche Zuwachs bei den Geburten ist bereits in den Grundschulen angekommen. Im Jahr 2021 wurden in Deutschland so viele Kinder eingeschult wie seit dem Jahr 2008 nicht mehr. Noch in diesem Jahrzehnt werden die steigenden Schülerzahlen auch die weiterführenden Schulen erreichen. Laut KMK dürften die Schülerzahlen in Deutschland bis zum Jahr 2035 um mehr als acht Prozent zulegen. Für die Sekundarstufe I wird eine Zunahme von fast zwölf Prozent erwartet.Größerer Bedarf an Lehrkräften auch durch weitere Faktoren
Zu den steigenden Schülerzahlen kommen noch verschiedene weitere Faktoren, die in der Zukunft den Bedarf an Lehrkräften erhöhen könnten.- Die Förderung leistungsschwächerer Schülerinnen und Schüler, die auch notwendig ist, um die Lücken zu schließen, die in Folge der Corona-Pandemie entstanden sind.
- Tendenziell steigt die Zahl der Kinder, die länger an der Schule bleiben und die Hochschulreife erlangen. Dadurch werden mehr Lehrkräfte für die Sekundarstufe II benötigt.
- Zuwanderung, wie aktuell durch den Krieg in der Ukraine, kann zu einem höheren Bedarf an Lehrkräften führen.
Welche Schulen, Lehrämter und Fächer sind besonders betroffen?
Nicht für jedes Lehramt wird ein Mangel erwartet. Die KMK rechnet damit, dass der Lehrkräftemangel besonders die Sekundarstufe I und die beruflichen Schulen trifft. In den Grundschulen könnte sich die Situation im Laufe der 2020er Jahre entspannen. Für sie und auch für die Sekundarstufe II wird es in den kommenden Jahren nach den Prognosen der KMK ein Überangebot an Lehrkräften geben.Im Jahr 2022 wurden Seiteneinsteiger deutschlandweit besonders häufig für den Unterricht beruflicher Fächer (darunter fallen Fächer wie Metalltechnik, Elektrotechnik und Sozialpädagogik) und naturwissenschaftlicher Fächer sowie für den Deutschunterricht eingesetzt.