Erdogans schleichender Rückzug von der Demokratie

Am Sonntag, den 23. Juni, wird in Istanbul erneut ein Bürgermeister gewählt. Die AKP hatte die Neuwahlen durchgedrückt, nachdem der Oppositionskandidat Ekrem İmamoğlu die Wahlen vom 31. März überraschend gewonnen hatte. Oppositionspolitiker in der Türkei und deutsche Politiker kritisieren die Neuwahlen und sehen darin einen Versuch Erdogans, das Ergebnis mit undemokratischen Mitteln doch noch zu seinen Gunsten drehen zu wollen.

Wie die Statista-Grafik zeigt, hat sich die Türkei zuletzt immer weiter von der demokratischen Staatsform entfernt und nähert sich zunehmend einer Autokratie an. Die Bertelsmann Stiftung bewertet Staaten mit einem Transformationsindex auf einer Skala von 0 für harte Autokratien bis 10 für stabile Demokratien. In 2012 lag der Demokratieindex der Türkei noch bei 7,65 Punkten, 2018 dann nur noch bei 5,55 Punkten, was einer stark defekten Demokratie entspricht.

Zeitgleich hat sich auch die marktwirtschaftliche Lage der Türkei verschlechtert, was sich unter anderem im Verfall der Lira zeigt. Zuletzt lag der marktwirtschaftliche Transformationsindex der Türkei bei 6,79 - eine Marktwirtschaft mit Funktionsdefiziten.

Auch für das politische Management politischer Entscheidungsträger vergibt die Bertelsmann Stiftung einen Indexwert. Hier erreichte die Türkei 2018 nur noch magere 4,72 von 10 möglichen Punkten.

In aktuellen Umfragen liegt der Oppositionspolitiker İmamoğlu mit 49 Prozent erneut vorne, sein Herausforderer Binali Yıldırım von der AKP kommt auf 40,9 Prozent. Doch unabhängig davon, wie die Wahl am Sonntag ausgehen wird, ist die Türkei bereits jetzt tief gespalten.