Impfgeschehen und Impfstoffmarkt in Deutschland
Historische Impferfolge

Ein weiterer Erreger, bei dem die Ausrottung seit der Verfügbarkeit wirksamer Impfstoffe in greifbare Nähe gerückt ist, ist Poliomyelitis oder Kinderlähmung, eine durch Viren ausgelöste Infektionskrankheit, für die keine Heilung existiert und die zu schwerwiegenden Lähmungen und zum Tod führen kann. Die Bundesrepublik, wo eine Impfung in den 1960er Jahren eingeführt wurde, gilt bereits seit den 90er-Jahren als poliofrei, Europa seit 2002. Nur noch einige wenige Gebiete in Asien und Afrika weisen Poliofälle auf und führen zu Reimporten in vormals poliofreie Gebiete. Die Zurückdrängung bzw. Eradikation von Krankheiten wie Pocken oder Poliomyelitis zeigen die Wirkmächtigkeit von Impfprogrammen und unterstreichen die Bedeutung moderner Impfstoffe, ohne die derartige Erfolge nicht möglich wären.
Impfempfehlungen in Deutschland
In Deutschland empfiehlt die Anfang der 1970er Jahre gegründete Ständige Impfkommission (STIKO) welche Impfungen in welchem Lebensalter sinnvoll sind, um sich vor gefährlichen Infektionskrankheiten zu schützen. Das unabhängige Expertengremium berücksichtigt dabei nicht nur den individuellen Nutzen, sondern auch den Gesamtgesellschaftlichen Nutzen. Da viele Infektionskrankheiten bei Säuglingen und Kleinkindern schwerer verlaufen als bei älteren Menschen, empfiehlt die STIKO die meisten Impfungen für das frühe Kindesalter. Die aktuellen Empfehlungen umfassen folgende Krankheiten:- Rotaviren
- Diphtherie
- Tetanus
- Keuchhusten (Pertussis)
- Kinderlähmung (Poliomyelitis)
- Hib (Haemophilus influenzae Typ b)
- Hepatitis B
- Meningokokken
- Pneumokokken
- Masern, Mumps, Röteln (MMR)
- Windpocken (Varizellen)
- HPV (Humanes Papillomvirus)
Impfquoten und Impflücken

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Impfungen für Erwachsene. Die STIKO-Empfehlungen umfassen hier Routineimpfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Influenza, Pneumokokken, Herpes Zoster, Masern und für ausgewiesene Risikogebiete eine FSME-Impfung. Bei fast allen empfohlenen Impfungen im Erwachsenenalter liegt die Impfquote unter 50 Prozent; viele Risikogruppen sind demnach nicht ausreichend geschützt. So sind beispielsweise 18 – 49-jährige Risikopatienten zu weniger als 20 Prozent gegen Influenza oder Pneumokokken geimpft, Schwangere zu weniger als 20 Prozent gegen Influenza. Auch wurde das von der Europäischen Kommission und der Weltgesundheitsversammlung erklärte Ziel, eine Influenzaimpfquote von mindestens 75 Prozent unter Seniorinnen und Senioren zu erreichen, mit 43 Prozent deutlich verfehlt.
Exkurs: Masern
Masern galten in Deutschland schon fast als ausgerottet. Doch in den letzten Jahren kam es in Deutschland aufgrund einer zu niedrigen Impfquote immer wieder zu Masernausbrüchen. Im Jahr 2015 erreichte die Zahl mit rund 2.600 gemeldeten Masernfällen den höchsten Wert der jüngeren Vergangenheit. Um die Verbreitung von Masern zu verhindern, gibt es seit dem Frühjahr 2020 eine Masern-Impfpflicht in Deutschland. Sie gilt für alle Kinder, die einen Kindergarten oder eine Schule besuchen (sowie für das dort arbeitende Personal). Durch die Impfpflicht ist die Zahl der gemeldeten Masernfälle in Deutschland seit 2020 stark gesunken. Seit 2023 steigen die Fallzahlen jedoch wieder an, liegen aber noch auf einem niedrigeren Niveau als in den Jahren vor der COVID-19-Pandemie. In anderen Ländern der europäischen WHO-Region werden teilweise deutlich höhere Fallzahlen gemeldet. Ein hoher Anteil der gegenwärtig in Deutschland beobachteten Fälle wurde aus dem Ausland importiert. Die relativ hohe Immunität der Bevölkerung hat die Masernausbreitung hierzulande deutlich erschwert, womit die Bundesrepublik dem Ziel der Elimination von Masern näher kommt. Um dieses Ziel tatsächlich erreichen zu können, muss die Immunisierung der Bevölkerung weiter erhöht werden. Die bundesweite Impfquote für die von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlene zweite Masern-Impfung bei Kindern im Alter von 24 Monaten liegt aktuell nur bei 79,5 Prozent. Für eine erfolgreiche Eliminierung der Masern sind mindestens 95 Prozent nötig.Impfstoffmarkt in Deutschland
Der Impfstoffmarkt in Deutschland ist einer der größten in Europa und verzeichnete in den letzten Jahren kontinuierliche Wachstumsraten. Eine alternde Gesellschaft und ein hohes Gesundheitsbewusstsein sowie eine erhöhte Nachfrage nach Impfstoffen gegen die saisonale Grippe, bestimmte Kinderkrankheiten und vor allem gegen das neuartige Corona-Virus haben die Expansion des Marktes begünstigt. So erreichte der Impfstoffverbrauch im Rahmen der GKV 2021 mit rund 102 Millionen abgegebenen Tagesdosen (DDD) den absoluten Höchststand der letzten Jahrzehnte. Der Verbrauch sank aufgrund des kleiner werdenden Bedarfs an COVID-19-Impfstoffen zwar im Folgejahr um rund 24 Millionen DDD. Der GKV-Impfstoffumsatz, in dem die Kosten für die COVID-19- Impfstoffe nicht enthalten sind, da diese vom Bund getragen wurden, steigt aber kontinuierlich an und erreichte 2023 die Summe von 2,3 Milliarden Euro. In Deutschland, bekannt für seine intensive Forschung in Bereichen der Biotechnologie und Pharmazie, sind viele der großen internationalen Pharmaunternehmen wie Pfizer, AstraZeneca, GlaxoSmithKline, Johnson & Johnson und ähnliche aktiv. Es existieren zahlreiche Kooperationen zwischen Universitäten, Forschungseinrichtungen und Pharmaunternehmen. Aus der Zusammenarbeit von BioNTech und Pfizer entstand der erste in Europa zugelassen COVID-19-Impfstoff, dessen Zulassung die Bedeutung des Marktes stark erhöht hat. Die zugrundeliegende mRNA-Technologie hat dabei das Potential zukünftig die Impfstoffentwicklung zu revolutionieren.Impfbereitschaft in der Bevölkerung
