Wie Zinsveränderungen den Immobilienmarkt bewegen
Das Zinsniveau in Deutschland wird maßgeblich von der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) beeinflusst. Genauer gesagt, von den bedeutendsten geldpolitischen Instrumenten der EZB: Den Leitzinsen. Die EZB legt drei Leitzinssätze fest. Wichtigster Zins ist hierbei der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte, welcher umgangssprachlich als „der Leitzins“ bezeichnet und im Folgenden zur Vereinfachung ebenfalls so benannt wird. Zu diesem Zinssatz können sich Geschäftsbanken eine Woche lang Geld bei der Zentralbank leihen. Die beiden weiteren Leitzinssätze sind der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität und der Zinssatz für die Einlagefazilität. Zu ersterem Zinssatz können sich Banken kurzfristiger – heißt, bis zum nächsten Geschäftstag – Geld bei der EZB leihen. Der Zinssatz für die Einlagefazilität gibt die Höhe der Zinsen vor, die Banken erhalten, wenn sie bis zum nächsten Geschäftstag Geld bei der Zentralbank anlegen. Die Geschäftsbanken geben die Höhe der Zinsen für Kredite und Einlagen an ihre Kunden weiter. Aus diesem Grund verschiebt eine Anhebung bzw. Senkung der Leitzinsen in der Tendenz das gesamte Zinsniveau in einer Volkswirtschaft nach oben respektive nach unten.
Wie entwickelten sich die Zinsen in den vergangenen Jahren?
In Folge der Finanz- und Eurokrise ab dem Jahr 2008 verfolgte die EZB eine jahrelange Niedrig- bzw. Nullzinspolitik. Ziel damals war eine konjunkturelle Belebung der Wirtschaft im Euroraum durch eine gesteigerte Kreditnachfrage und eine sich daraus ableitende erhöhte Investitionstätigkeit. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine im Jahr 2022 löste hierzulande eine Energiekrise aus. In Kombination mit steigenden Lebensmittel- und Rohstoffpreisen resultierten daraus Inflationsraten auf Rekordniveau. Aus diesem Grund läuteten die Währungshüter:innen der EZB zur Mitte des genannten Jahres die Zinswende ein und der Leitzins wurde sukzessiv angehoben. Ziel dieser Maßnahme war die Wiederherstellung stabiler Preise. Nach Ansicht der EZB kann Preisstabilität am besten bei einer vorherrschenden Inflationsrate von 2 Prozent gewährleistet werden.
Welchen Einfluss haben Zinsänderungen auf den Immobilienmarkt?
Umgestaltung der Kreditkonditionen
Steigende Zinsen erhöhen die Kosten für die Finanzierung einer Immobilie. Kaufinteressent:innen, die auf Kredite angewiesen sind, agieren vorsichtiger am Markt. Sinken die Zinsen verbessern sich die Finanzierungskonditionen für Immobilienkäufer und -käuferinnen. Entsprechend ändert sich zum Beispiel die Nachfrage der privaten Haushalte nach Wohnungsbaukrediten. Ebenso verhält es sich mit den Darlehensauszahlungen der Finanzinstitute zur Wohnimmobilienfinanzierung (Bau, Erwerb und Modernisierung von Wohnimmobilien) insgesamt.
Für die Berechnung der Zinsen für den Wohnungsbau spielen jedoch auch die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen und die Zinsen von deutschen Pfandbriefen eine wichtige Rolle, da Banken häufig die von ihnen vergebenen Immobiliendarlehen auf diesem Weg gegenfinanzieren.
Ebenso für die individuelle Baufinanzierung von Bedeutung sind die Bonität des Kreditnehmers bzw. der Kreditnehmerin, die Lage des Objekts sowie Eckdaten wie Laufzeiten oder Tilgungsart.
Die Nachfrage nach Immobilien verändert sich
Unterschiedliche Finanzierungsbedingungen verändern die Nachfrage nach Krediten und entsprechend auch die Nachfrage nach Immobilien insgesamt. Es werden weniger oder mehr Kauf- bzw. Verkaufstransaktionen von Häusern, Wohnungen und Grundstücken durchgeführt. Entsprechend steigen oder sinken auch die generierten Geldumsätze.
Aktuell sind die Auswirkungen steigender Zinsen besonders gut ablesbar auf dem Teilmarkt der Eigentumswohnungen. So wurden bundesweit im Jahr 2022 rund 19 Prozent weniger Eigentumswohnungen verkauft als noch im Vorjahr, der Rückgang der Geldumsätze lag sogar bei 20 Prozent.
Verändert sich die Nachfrage, steigen oder fallen auch entsprechend die Immobilienpreise. Allerdings entwickelten sich die Kaufpreise und Mieten hierzulande zuletzt unterschiedlich. Während viele potenzielle Käufer:innen davon absahen, eine Immobilie zu erwerben, verlagerte sich die Nachfrage auf Mietimmobilien. Dementsprechend fielen die Kaufpreise, während die Mieten weiter anzogen. Dies muss jedoch nicht auf jede Region in Deutschland zutreffen.
Auch Investoren reagieren
Immobilien gelten als besonders wertstabil und inflationssicher, werden oftmals sogar als „Betongold“ bezeichnet. Aus diesem Grund sind Immobilieninvestments besonders in Zeiten niedriger Zinsen besonders beliebt. Die Zinssprünge der näheren Vergangenheit machten sich deshalb auf dem Immobilien-Investmentmarkt besonders bemerkbar. Der Transaktionsmarkt für Wohnobjekte und -portfolios brach im Jahr 2022 regelrecht ein, die gewerblichen Immobilieninvestments folgten ein Jahr später.
Einfluss auf die Baubranche
Steigende Zinsen erhöhen die Kosten für die Finanzierung von Bauprojekten, sinkende Zinsen reduzieren die Finanzierungskosten. Dementsprechend agieren nicht nur die Projektentwickler, sondern auch die Eigenheimbauer:innen. Die Zahl der geplanten Neubauprojekte sinkt oder steigt. Besonders im Fokus hierzulande: Der Wohnungsbau. Es fehlt Wohnraum – insbesondere bezahlbarer. Die aktuelle Bundesregierung hat sich bei Amtsantritt zum Ziel gesetzt, jährlich 400.000 Wohnungen zu bauen. Im Jahr 2023 waren es jedoch weniger als 300.000 neu errichtete Wohnungen. Gemäß einer Prognose des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) soll der Mangel an Wohnraum in den kommenden Jahren weiter ansteigen, bis 2027 sollen hierzulande sogar bis zu 830.000 Wohnungen fehlen. Die aktuellen Baugenehmigungszahlen für Wohnungen untermauern diese Einschätzung.
Steigende oder sinkende Zinsen haben also zweifellos das Potenzial, den Immobilienmarkt zu beeinflussen. Die genaue Auswirkung hängt allerdings auch vom Grad der Zinserhöhung ab. Sowie von verschiedenen weiteren Faktoren:
- Wie entwickelt sich die wirtschaftliche Leistung des Landes?
- Wie hoch ist die Inflation und wie hoch sind entsprechend die (Erzeuger-)Preise für Baumaterial und die Kosten für Bauleistungen allgemein?
- Wie entwickelt sich die Bevölkerung des Landes und damit einhergehend die Verfügbarkeit an Wohnraum?
- Welche Ansprüche hat eine Gesellschaft an das Wohnen bzw. wie haben sich diese im Laufe der Zeit verändert (z. B. die Entwicklung der individuellen Wohnfläche)?
- Wie problematisch ist der Fachkräftemangel bzw. die Zahl der offenen Stellen in der Branche und können diese Vakanzen zeitnah nachbesetzt werden?
- Wie viele bürokratische Bauhürden gibt es?